Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
noch einer meiner größten Wünsche: Als in Zürs die legendären Wedelwochen aus der Taufe gehoben wurden, kam auch ich endlich zum Zug! Ich durfte von da an von Ende November bis kurz vor Weihnachten, wenn Lech und Zürs aus allen Nähten platzten und die Lehrer knapp wurden, dort unterrichten. In Zürs gab es zum Ende jeder Woche eine schöne Tradition: Das Trinkgeld für die Skilehrer wurde gesammelt, und ich hatte mal wieder eine geniale Idee. Pünktlich zum Wochenende zog ich mir einen alten Pullover an, setzte mich so, dass man die löchrigen Ellbogen sah, und schon kauften mir die Gäste als Dankeschön einen neuen Pullover. Aber das war meiner Meinung nach auch mehr als angemessen, denn die Wedelwochen waren wirklich anstrengend. Es gab dort gute Skiläufer, die anspruchsvoll jede Menge Pistenkilometer fuhren, und auch die Überstunden mussten ja honoriert werden.
Möchte jetzt noch jemand behaupten, Skilehrer sei kein richtiger Beruf? Es ist mehr als das, es ist ein echter Fulltimejob, den man nur mit Herzblut ausüben kann: Das war früher so, und das ist heute auch noch so. Skilehrer sind Animateure, Alleinunterhalter, Entertainer, die das Unterhaltungsprogramm individuell auf den Gast zuschneiden, denn nur dann wird er garantiert wiederkommen und im Skischulbüro nach »seinem« Skilehrer verlangen.
Trotzdem ändern sich die Zeiten: Skilehrer waren früher auch immer eine Art Fremdenführer, die dem Gast Natur und Umgebung näherbrachten. Ich spulte dabei natürlich keine langweiligen Fakten und Zahlen ab, sondern erzählte Anekdoten, streute Witze ein und schummelte, wenn mir beispielsweise der Name eines Berges entfallen war (Das ist der berühmt-berüchtigte Trinkgeldkogel!) Aber das ist heute nicht mehr erwünscht. Der Hang zur Geselligkeit nimmt ab. Viele Gäste fahren auch noch in dichtem Schneetreiben und hören erst auf, wenn die Lifte schließen und das Skifahren quasi verboten ist. Denn ein Skilehrer kostet viel Geld, in Stuben bezahlen die Gäste für einen Privatlehrer 220 Euro pro Tag. Dafür möchten die meisten möglichst viel lernen. Technik, Tiefschnee, Carven. Volkstümliche Musik, Landes- und Naturkunde gehören nicht mehr dazu. So reichte mir ein junger Mann, der mit uns zusammen in der Hütte saß, bei solch einer Gelegenheit zehn Euro und bat mich, doch mit dem Musizieren aufzuhören. Schade, aber da kann man nichts machen. Skilehrer haben nur auf der Piste das Sagen, ansonsten ist auch bei uns der Kunde König.
Jetzt geht die Party richtig los
Es könnte der Eindruck entstanden sein, ich sei am Höhepunkt meiner Karriere angekommen. Falsch. Also, legen wir noch ein Scheit aufs Feuer …
So raste ich nun durch die Jahre, süchtig nach Vergnügen. Bis zu meinem 23. Lebensjahr hatte ich schon so viel erlebt, es hätte für mehrere Leben gereicht. Aber unersättlich, wie ich war, trank ich den Kelch weiterhin bis zur Neige aus. Das wilde Leben, Partys, schöne Frauen und schnelle Autos faszinierten mich. An Familie, Ehefrau und Kinder dachte ich nicht. In meinem Herzen hatten viele Frauen Platz, ich wollte mich nicht für eine entscheiden. Wie sollte ich eine Ehe mit meinem Beruf als Skilehrer vereinbaren und dabei meinem Ruf als Herzensbrecher gerecht werden? Das war unmöglich. Ich sah ja die Probleme meiner verheirateten Kollegen, die regelmäßig Ärger zu Hause hatten.
Doch an einem Abend im Winter des Jahres 1965 begegnete ich im Stubner Tanzlokal »Tenne« einem ganz besonderen Mädchen. Mein Arbeitstag hatte sich wie üblich von der Piste an die Theke verlagert, als ich zwei junge Damen erspähte. Die eine kannte ich, Marlies, sie war mit meinem Cousin Arthur befreundet. Die andere, offenbar ihre Freundin, hatte ich in Stuben noch nie gesehen. Zielstrebig ging ich in meiner Skilehrermontur, die ich wie eine stolze Uniform trug, auf sie zu, und forderte sie zum Tanzen auf. Sie hieß Edeltrud, kam aus dem gut 30 Kilometer entfernten Bludenz, und wir verbrachten den Abend miteinander. Später begleitete ich sie zu ihrem Auto, machte Halt vor unserem Haus, das mein Bruder Anton für meine Eltern als Alterswohnsitz errichtet hatte, und sagte: »Wir werden einmal zusammen in diesem Haus leben.« Dann nahm ich sie ihn den Arm und gab ihr einen Kuss.
Manchmal führt das Schicksal merkwürdige Dinge im Schilde. Ich weiß nicht, warum ich diesen Satz zu jenem Mädchen sagte, das ich gerade erst kennengelernt hatte. Ich traf viele Mädchen, manchmal mehrere pro Abend, aber Amors
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