Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Einsatz. Ein (Winter-)Tag in meinem Leben sah ungefähr (je nach Gast) so aus:
Nachdem wir gemeinsam im Hotel gefrühstückt hatten, ging es auf die Piste. Hier trennte sich dann die Spreu vom Weizen: Ein guter Fahrer verlangte Ausdauer und Kondition, da wurden jede Menge Pistenkilometer abgefahren. Die Anfänger brauchten öfter eine Pause und gingen gerne zwischendurch an die Schneebar. Die Mittagspause verbrachten wir gemeinsam in einer Hütte oder einem Restaurant. Es wurde gegessen und getrunken, es hing immer von der Konstitution der Gäste ab, wie lange man hockenblieb. Früher war die Pause für den Gast oft schöner als das Skifahren. In einer urigen Berghütte zu sitzen, wenn es draußen schneit, das war für viele eine romantische Vorstellung, die sie gerne erleben wollten. Volkslieder wurden gesungen, und nicht selten spielte ich dazu auf meinem kleinen Akkordeon. Nach dem Mittagessen ging es wieder auf die Piste. Früher kam es häufiger vor, dass der Skitag bei schlechtem Wetter schon mittags in der Hütte endete, oder aber man fuhr eben bis die Lifte schlossen. Und wenn dieser Teil der Arbeit beendet war, begann das Abendprogramm für die Gäste mit »ihrem« Skilehrer, das ich, je nach Gruppe und Geschlecht, natürlich ganz individuell gestaltete …
Dafür, dass es wohl in keinem anderen Urlaub Typen gibt, die vergleichsweise das bieten, was wir bieten, hat verschiedene Gründe: Zum einen kommen die Gäste mit großen Erwartungen in den Winterurlaub, der sich von einem »herkömmlichen« Strandurlaub im Sommer erheblich unterscheidet. Wintersport ist seit jeher mit Hüttengaudi verbunden, das liegt in der Natur der Sache: Städter genießen das urige Landleben, kleine Berghütten vermitteln Gemütlichkeit, die Menschen rücken hier schon aus Platzmangel enger zusammen. »Ab 1000 Meter wird geduzt« – das ist keine hohle Phrase, denn wenn man einen ganzen Tag gemeinsam verbringt, in der engen Hütte beieinanderhockt, singt und trinkt, sagt keiner: »Möchten Sie noch einen Obstler?« Auf der Piste, in der Hütte, beim Après-Ski sind alle gleich, der Geschäftsführer ist schon rein äußerlich nicht von seinem Angestellten zu unterscheiden. Nach monatelangem Stress kommen oft abgespannte Gäste, die nur einen Wunsch haben: die Sorgen des Alltags zu vergessen und in der guten Bergluft Kraft zu tanken. Einen schlecht gelaunten Skilehrer will hier keiner sehen. Bei strahlendem Sonnenschein und feinstem Pulverschnee blühen die Urlauber auf, und in dieser entspannten Atmosphäre kommt man sich natürlich in kleinen überfüllten Berghütten näher. Nach ein paar Jagertee und Glühwein landet die Hand des Skilehrers schon mal auf einem weiblichen Oberschenkel oder umgekehrt! Denn das sei an dieser Stelle gesagt: Die Damen können’s auch!
Ein anderer entscheidender Aspekt ist das Wetter: Die Urlauber wünschen sich hervorragende Schneeverhältnisse und am liebsten den ganzen Tag Sonne. Sie wollen oben am Berg sein, die schönen Abfahrten auskosten, gemütlich in warmen Hütten sitzen und die Aussicht genießen. Das geht aber nicht immer. Wir können für vieles garantieren, fürs Wetter leider nicht. Und so erlebte ich auch Tage mit Unmassen von Schnee und Lawinengefahr, an denen die Straße und Skilifte gesperrt waren. Die Skier mussten im Keller bleiben, was nicht bedeutete, dass ich frei gehabt hätte. Denn Trübsal blasen kam nicht infrage. In solch einer »Notsituation« sorgten wir Skilehrer für feuchtfröhliche Unterhaltung. Nichts ist schlimmer als schlecht gelaunte Urlaubsgäste. Partys wurden organisiert, der Alkohol floss in Strömen, und unsere Gäste gingen meist erst im Morgengrauen schlafen.
Doch von einem Skilehrer wird immer höchste Konzentration verlangt, einen Kater am Morgen kann sich keiner erlauben. Und total besoffen dürfen wir auch nicht aus der Hütte torkeln, denn der schönste Skitag kann in einer Katastrophe enden und dann muss man, auch nach diversen Schnäpsen, einen klaren Kopf bewahren. Die nächsten Geschichten sind nur einige von vielen, die ich in dieser Art erlebt habe:
Spurenverfolgung
An jenem Tag im April, es war der Montag vor dem Osterwochenende, fuhren wir zu viert Ski bei uns in Stuben. Ich begleitete Chris, eine Privatschülerin, und mit uns fuhr noch ein anderer Stammgast, Volker, mit seinem Privatskilehrer. Irgendwann trennten sich unsere Wege. Die beiden Männer fuhren die Abfahrt Langen-Zug, und ich nahm mit Chris die etwas leichtere Moosabfahrt.
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