Ab 1000 Meter wird geduzt!: Aus dem abgefahrenen Leben eines Skilehrers (German Edition)
Leitung der Skischule abzugeben. Eine schwere Entscheidung und das Ende einer Ära.
Obwohl ich meinen Sohn Willi junior für geeignet hielt, schlug ich meinen Neffen Franz-Josef, Sohn meines ältesten Bruders Rudi, vor. Willi junior übernahm im gleichen Jahr unser »Pilsstüble«. Er war noch unverheiratet, und diese Doppelbelastung konnte ich ihm allein nicht zumuten. Mein Neffe übernahm ein Jahr vor dem regulären Ablauf meiner Amtszeit die Skischule, so dass keine Wahl notwendig war. Willi junior wurde dessen Stellvertreter, eine neue Ära hatte begonnen. Doch meine sollte deshalb nicht vorbei sein. Denn ein Leben ohne Skifahren konnte ich mir nicht vorstellen, ich fuhr weiterhin als Lehrer mit meinen Stammgästen und blieb ebenfalls im Vorstand.
Vor zwei Jahren dann ging endlich mein großer Wunsch in Erfüllung, Willi junior übernahm die Skischule Stuben und führt sie bis heute zu meiner vollsten Zufriedenheit. Die Zahl der Skilehrer nimmt stetig zu, und auch ich bin nach wie vor im Einsatz – vor allem mit guten Ratschlägen.
So gab ich Willi junior bei seinem Amtsantritt mit auf den Weg: Sag den Kindern in der Skischule, sie sollen ihre beim Abschlussrennen gewonnenen Pokale zu Hause auf den Fernseher stellen, damit ihre Eltern das ganze Jahr über daran erinnert werden, wo sie im Winter wieder Urlaub machen sollen!
Mein Sohn schüttelte nur lachend den Kopf und meinte: »Vergiss, es! Die haben doch heute alle Flachbildfernseher!«
Ja, die Zeiten hatten sich geändert.
Ich kann’s nicht lassen …
Könige danken nicht einfach ab. Ein bisserl was geht immer … Und bei mir geht auch immer ein bisschen mehr. Werfen wir also einen Blick auf meine neu gewonnene Freiheit, denn Stress und Verantwortung hatte ich ja nun nicht mehr. Dafür viel Zeit, und wir wissen ja mittlerweile aus meiner Kindheit, dass man mich beschäftigen muss, sonst beschäftige ich mich selber …
Noch immer der Schnellste
Da stand ich nun nach meiner aktiven Skischulleiterzeit mit jeder Menge Energie und Testosteron im Blut. Ich konnte nicht einfach auf Schritttempo runterbremsen, die Tempo-30-Zone war einfach nichts für mich. Wir wohnten zwar schon seit ein paar Jahren in Bludenz, aber ich fuhr weiterhin mit meinen Stammgästen, und auch die Skischule in Stuben vermittelte mir Gäste und Gruppen. Doch ich war nicht irgendein Skilehrer, der nun »in Rente« ging, ich war Publikum und Aufmerksamkeit gewohnt. Nach 40 Jahren Action konnte ich mich nicht aufs Altenteil zurückziehen.
Topfit und auf Skiern immer noch unschlagbar war es für mich auch selbstverständlich, dass ich mit fast 60 Jahren noch am Skiclub-Arlberg-Rennen teilnahm. Traditionell findet das Rennen jeweils an einem anderen Arlbergort statt, 2002 war Stuben an der Reihe. Ich hatte den Wettlauf schon dreimal, 1969, 1973 und 1974, gewonnen. Das war zwar schon ein paar Jährchen her, aber ich hatte ja nichts zu verlieren, und nach fast 20 Jahren in Amt und Würden konnte ich nun entspannt und ausgeruht trainieren und ebenso an den Start gehen.
Die Wetterbedingungen waren leider äußerst bescheiden, die Sonne wollte nicht mitspielen, es war windig, regnerisch und ungemütlich. Doch davon ließen wir uns nicht unterkriegen und organisierten, damit es für die Besucher spannender und attraktiver wurde, einen Sprint-Riesenslalom mit 25 Toren unter Flutlicht am Walchlift. Der Publikumsandrang war gewaltig, und in dieser sehr stimmungsvollen Atmosphäre gingen 180 Läufer an den Start, ich in der Altersklasse III (von 55 bis 60 Jahren).
Am Rande der Piste hatten sich zahlreiche Menschen versammelt, unter Jubel und Anfeuerungsrufen rauschten die Läufer die Strecke hinunter, zwischen den Slalomstangen durch. Dann durfte ich endlich fahren – und schon auf dem Weg nach unten spürte ich, dass das mein vierter Sieg werden könnte! Ich war sogar schneller als alle jüngeren Rennläufer gewesen, die teilweise den Nachwuchskadern angehörten, doch ich hatte sie mit meiner Bestzeit von 26,20 Sekunden auf die Plätze verwiesen. Balsam für mein Ego.
Ein anderes Rennen, das mir sehr am Herzen lag, war der Hannes-Schneider-Lauf. Nachdem ich nun nicht mehr für dessen Organisation zuständig war, konnte ich endlich dieses Event auch mal genießen, selber teilnehmen und mit den fantastischen prominenten Skirennläufern um die Wette fahren. Mein Ehrgeiz war ungebrochen, »dabei sein« ist eben nicht alles, ich gewinne einfach wahnsinnig gerne. Doch diesmal hätte ich besser
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