Ab die Post
damals verdiente sich das Trio seinen Lebensunterhalt mit den Gelegenheitsjobs, die es für Menschen am falschen Platz gab, doch jede Nacht, weit oben, blitzten die Klacker ihre Nachrichten. Es war so nahe, so verlockend, so… zugänglich. Alle wussten auf vage, halb gare Weise, dass der Große Strang bis auf den Namen gestohlen worden war. Er gehörte dem Feind.
So hatten sie eine eigene kleine inoffizielle Gesellschaft gegründet, die den Großen Strang nutzte, ohne dass der Große Strang etwas davon wusste.
Es war ein wenig wie Stehlen. Es war genauso wie Stehlen. Es war Stehlen. Aber man verstieß damit gegen kein Gesetz, denn niemand wusste von diesem Verbrechen, und kann man von Diebstahl sprechen, wenn niemand vermisst, was gestohlen wird? Und ist es Diebstahl, wenn man Diebe bestiehlt? Und Überhaupt: Jedes Eigentum ist Diebstahl, abgesehen von meinem.
»Nun, wie heißt es doch noch… Knacker?«, fragte Feucht.
»Ja«, bestätigte Irrer Al. »Weil wir das System knacken können.«
»Das klingt ein wenig zu dramatisch, denn schließlich benutzt ihr nur Lampen.«
»Ja, aber ›Blitzer‹ gab es schon«, sagte Vernünftiger Alex.
»Na schön, aber warum ›Rauchendes Gnu‹?«, fragte Feucht.
»Das ist ein Knacker-Ausdruck für eine sehr schnelle Nachricht, die durch das ganze System geschickt wird«, sagte Vernünftiger Alex stolz.
Feucht dachte darüber nach. »Das ergibt einen Sinn. Wenn ich ein Team aus drei Personen wäre, deren Vornamen alle mit dem gleichen Buchstaben anfangen, würde ich solch einen Namen wählen.«
Sie hatten einen Weg ins Semaphorsystem gefunden, und der sah so aus: Nachts waren alle Klackertürme bis auf die Lichter unsichtbar. Wenn man nicht über einen besonders guten Richtungssinn verfügte, konnte man den Sender der Nachricht nur mithilfe seines Codes identifizieren. Ingenieure kannten viele Codes. Sehr viele.
»Ihr könnt Nachrichten gratis übermitteln?«, fragte Feucht. »Ohne dass jemand etwas merkt?«
Die Antwort bestand aus drei selbstgefälligen Lächeln. »Es ist leicht«, sagte Irrer Al. »Wenn man weiß, wie’s geht.«
»Woher wusstet ihr, dass dieser Turm ausfallen würde?«
»Wir haben seinen Ausfall bewirkt«, sagte Vernünftiger Alex. »Wir haben dafür gesorgt, dass die Differentialtrommel brach. Es dauert Stunden, einen solchen Schaden zu reparieren, denn die Operatoren müssen…«
Den Rest des Satzes bekam Feucht nicht mit. Unschuldige Worte wirbelten darin herum wie Trümmer in einer Flutwelle, tauchten gelegentlich auf und winkten verzweifelt, bevor sie wieder nach unten gezogen wurden. Er bemerkte mehrmals »der«, »die« und »das«, bevor sie ertranken, außerdem »trennen« und »Getriebekette«, aber die donnernden, technischen Polysyllaba stiegen auf und überfluteten sie alle.
»… und das dauert mindestens einen halben Tag«, sagte Vernünftiger Alex.
Feucht richtete einen hilflosen Blick auf die beiden anderen. »Und was bedeutet das genau?«, fragte er.
»Wenn man die richtige Nachricht sendet, kann man die Maschinerie beschädigen.«
»Den ganzen Strang?«
»Rein theoretisch«, sagte Irrer Al. »Denn ein Ausführen-und-beenden-Code…«
Feucht entspannte sich, als die Flut zurückkehrte. Maschinerie interessierte ihn nicht; wenn er an einen Schraubenschlüssel dachte, stellte er sich ihn in der Hand einer anderen Person vor. Er begnügte sich damit, zu lächeln und zu warten. So waren Handwerker eben: Sie erklärten gern. Man musste warten, bis sie das Verstehensniveau des Zuhörers erreichten, selbst wenn es bedeutete, dass sie sich hinlegen mussten.
»… aber das geht nicht mehr, denn wir haben gehört, dass Veränderungen vorgenommen worden sind, und zwar bei…«
Feucht beobachtete eine Zeit lang die Taube, bis es wieder still wurde. Irrer Al hatte seine Erklärungen beendet, und offenbar nicht mit optimistischen Worten.
»Es geht also nicht«, sagte Feucht enttäuscht.
»Jetzt nicht. Der alte Herr Pony mag vielleicht ein wenig altweiberhaft sein, aber er beschäftigt sich mit Problemen und versucht, sie zu lösen. Er hat immer wieder die Codes geändert! Von einem unserer Kumpel haben wir gehört, dass jeder Signalgeber jetzt einen persönlichen Code haben muss. Sie sind sehr vorsichtig. Ich weiß, dass Fräulein Adora Belle dachte, wir könnten dir helfen, aber der Mistkerl Gilt hat alles streng abgesichert. Er fürchtet, dass du gewinnst.«
»Ha!«, kommentierte Feucht.
»In ein oder zwei Wochen finden wir
Weitere Kostenlose Bücher