Ab die Post
von kleineren Postämtern«, fügte Grütze hinzu. »Aber wir haben sie verloren, als alles schlimm zu werden begann.«
»Bringen wir die Post in Bewegung«, sagte Feucht. »Wenn sich etwas ergibt, müssen wir eben improvisieren. Bestimmt fällt uns was ein. Und nun, Herr Grütze… Ich glaube, du kannst mich jetzt in ein Geheimnis einweihen.«
Grützes Schlüsselring klirrte, als er Feucht durch die Keller des Postamts und schließlich zu einer Metalltür führte. Feucht bemerkte ein schwarzgelbes Seil auf dem Boden – die Wache war ebenfalls hier gewesen.
Es klickte, und die Tür öffnete sich. Dahinter glühte es blau, gerade schwach genug, um störend zu wirken: Es erzeugte violette Schatten am Rand des Blickfelds und ließ die Augen tränen.
»Voil-ah«, sagte Grütze.
»Ist das… eine Art Theaterorgel?«, fragte Feucht. Es war schwierig, die Umrisse der Maschine in der Mitte des Raums zu erkennen, doch sie stand dort, aufreizend wie ein Folterinstrument. Das blaue Glühen kam aus ihrer Mitte. Aus Feuchts Augen strömten bereits Tränen.
»Nicht schlecht, Herr!«, erwiderte Grütze. »Das ist die Sortiermaschine – der Fluch des Postamts, Herr. Kobolde in ihr lasen die Adressen auf den Umschlägen, aber der letzte von ihnen ist vor vielen Jahren verschwunden. Ist auch besser so.«
Feuchts Blick glitt über das Drahtgestell, das eine ganze Wand des großen Raums beanspruchte. Er entdeckte auch die Kreidelinien auf dem Boden. In dem seltsamen Licht glühte die Kreide. Die Umrisse waren recht klein, und Feucht bemerkte fünf Finger.
»Arbeitsunfall«, brummte er. »Na schön, Herr Grütze. Heraus damit.«
»Komm dem Glühen nicht zu nahe, Herr«, sagte Grütze. »Ich habe Herrn Wobbelwobb davor gewarnt. Aber später schlich er sich allein hierher. Der arme junge Stanley fand ihn, nachdem er gesehen hatte, wie Tiddles etwas durch den Korridor zog. Seinen Augen bot sich die Szene eines Gemetzels dar. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es hier drin aussah, Herr.«
»Ich glaube, ich kann«, sagte Feucht.
»Das bezweifle ich, Herr.«
»Ich kann es mir wirklich vorstellen.«
»Ich bin sicher, das kannst du nicht, Herr.«
»Ich kann es, klar!«, rief Feucht. »Glaubst du, ich weiß nicht, was all die kleinen Konturzeichnungen bedeuten? Können wir jetzt bitte weitermachen, bevor ich mich übergebe?«
»Äh… in Ordnung, Herr«, sagte Grütze. »Hast du jemals vom Absolut Bekloppten Johnson gehört? Er ist recht berühmt in der Stadt.«
»Hat er nicht Dinge gebaut? Und ich glaube, mit ihnen war immer irgendetwas nicht in Ordnung. Ich bin sicher, dass ich etwas über ihn gelesen habe…«
»Genau der Mann, Herr. Er hat viele Dinge gebaut, die leider stets einen großen Fehler aufwiesen.«
In Feuchts Gehirn trat eine Erinnerung gegen ein Neuron. »War er nicht der Mann, der Treibsand als Baumaterial für bewegliche Häuser verwendete?«
»Stimmt, Herr. Der größte Fehler bestand meistens darin, dass der Absolut Bekloppte Johnson der Architekt war. Fehlerhaftigkeit war praktisch ein Grundprinzip. Doch eins muss man ihm lassen: Viele der Sachen, die er gebaut hat, funktionierten recht gut, wenn auch nicht wie vorgesehen. Dieser Apparat begann seine Existenz tatsächlich als Orgel, doch schließlich wurde eine Sortiermaschine für Briefe daraus. Man gab den Inhalt eines Postsacks in den Fülltrichter dort, und die Briefe landeten in den Fächern des Drahtgestells. Postmeister Kauerbi meinte es gut, heißt es. Er legte großen Wert auf Geschwindigkeit und Effizienz. Mein Großvater erzählte mir, das Postamt gab ein Vermögen dafür aus, dass die Maschine funktionierte.«
»Und es verlor sein Geld?«, fragte Feucht.
»O nein, Herr. Sie funktionierte tatsächlich. Sie funktionierte nur zu gut. So gut, dass die Leute schließlich den Verstand verloren.«
»Lass mich raten«, sagte Feucht. »Die Postboten mussten zu hart arbeiten?«
»Postboten arbeiten immer zu hart, Herr«, erwiderte Grütze sofort. »Nein, die Leute beunruhigte etwas anderes: Sie fanden plötzliche Briefe in den Fächern, die eigentlich erst in einem Jahr geschrieben werden sollten.«
In der folgenden Stille probierte Feucht in Gedanken verschiedene Antworten aus, von »Du willst mich wohl auf den Arm nehmen« bis hin zu »Das ist unmöglich«, und er fand, dass sie alle dumm klangen. Grütze schien es vollkommen ernst zu meinen. So fragte er schließlich: »Wie kam es dazu?«
Der alte Postbote deutete zu dem blauen Glühen.
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