Ab ins Bett!
Quatsch.«
»Spielchen organisieren, wo die Leute mit Farbkugeln rumballern, paßt jedenfalls beim besten Willen nicht dazu. Ist so was nicht Ausdruck schierer männlicher Aggression?«
»Ja und nein. Es waren auch viele Frauen dabei. Na, ich habe es jedenfalls aufgegeben. Ungefähr zu dem Zeitpunkt, als ich...«, sagt sie mit einem kräftigen Schlag augenbrauen-angedeuteter Ironie, »...Pazifistin wurde.«
»Ist wohl groß in Mode in den Staaten? Diese Farbgeschoßsache?«
Sie klimpert mit den Lidern. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß dieses Klimpern eine Art Seufzen ist. »Ja, wahnsinnig. Kannst dir dort alle möglichen High-Tech-Farbkanonen kaufen.« Dann schweigt sie, guckt aus dem Fenster. Mit Döner Kebabs beladen kommt ein Asiate aus dem Abrakebabra. »Sag mal, können wir nicht über was anderes reden?«
Meine Antwort, ein Ja, wird durch Telefonklingeln abgeblockt.
Dina sieht mich an. Ich gehe nicht dran, was eindeutig besagt: Ich interessiere mich sehr für dich. Wenn ich wirklich mutig wäre, würde ich abnehmen, schnell auf die Gabel drücken, den Hörer daneben legen und mich mit einem James Bond-Lächeln wieder zu Dina umdrehen. Ich tue es nicht, und der Anrufbeantworter schaltet sich ein.
»Hallo, Schatz! Wollt mich nur mal mit dir kurzschließen.«
O nein!
»Ich habe gerade das Abendessen für deinen Vater aufgesetzt und dachte mir, vielleicht hast du Lust, herzukommen und mit uns zu essen. Und bring doch Tina mit! Wird langsam Zeit, daß wir sie kennenlernen, finde ich. War nur Spaß, Schatz. Bis bald.«
»WAS HÄNGST DU SCHON WIEDER AM TELEFON, DU ARSCHBACKIGER ALTER QUATSCHONAUT!!«
Ich kann gerade noch den Anfang ihres »Dein Vater ist schon eine Marke«-Gekichers hören, ehe sie auflegt. Ich sehe Dina an, und ich glaube, ich werde rot.
»Quatschonaut?« sagt sie.
»Jaah. Ist mir auch neu.«
Sie lächelt in sich hinein. Wir beide wissen, daß sie sich mit Absicht nicht auf das eigentliche Schlüsselwort der Botschaft gestürzt hat.
»Wer ist Tina?«
So, jetzt tut sie’s doch. Ich habe die Wahl. Ich könnte behaupten, Tina sei... wasweißich... meine Kusine: Was für ein Zufall!
Oder ich könnte ihr wenigstens die halbe Wahrheit sagen. Ich fühle mich, als stünde ich vor zwei Türen in einem Flur, eine mit der Aufschrift Der Beginn einer schönen Beziehung, auf der anderen steht Alptraum. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Also rufe ich mir die Person in den Kopf, die sich wirklich mit Liebe auskennt. Sie erscheint mir in nebligem Licht.
»Was soll ich tun?«
»Jetzt nerv du mich auch noch«, sagt sie. »Ich bin immer noch stinksauer über Bitty Macleans Cover von We’ve Only Just Begun. Weißt du, daß er die Anfangsstrophe von >We’ve only just begun to live/White lace an promises...< in >We’ve only just begun to live / Life’s full of promises< änderte? Glaubt der denn, die Leute wissen nicht, was weiße Spitzen sind?!«
»Karen... «
»Warum nicht gleich: >Das Leben ist so schnell vorbei/aber wir sind geil!«
»Bitte Karen. Du mußt mir helfen!«
Sie schüttelt streng den Kopf und holt ein Buch aus dem Nebel. Es hat die Größe eines Standesamtregisters und einen Ledereinband. Auf der Titelseite steht in erhabenen gotischen Goldbuchstaben Liebe.
»Warte...«, sagt sie, befeuchtet ihren Zeigefinger und blättert die Seiten an den Ecken um, »...Lachen... Lack... Länge...« Sie blickt auf. »Du hast nicht zufällig ein Sandwich dabei?« Ich bedaure. Sie seufzt. »Ah, da haben wir’s: Lügen.« Sie lehnt sich zurück und räuspert sich, Nebelschwaden umhüllen ihren Hals. »Am besten, man läßt es sein.« Sie sieht mich an. »Alles klar?« Und fort ist sie. Ich gucke Dina an.
»Sie meint dich.«
Dina nickt, dann wendet sie das Gesicht ab und kratzt sich nachdenklich im Nacken. Ohne sich zu mir umzudrehen, sagt sie, »Ich finde es wird wirklich langsam Zeit, daß ich deine Eltern kennenlerne. Schließlich sind wir schon Jahre zusammen. Eigentlich so gut wie verheiratet.«
»Hör zu Dina, als du auf deiner Postkarte schriebst, daß du meinen Motiven nicht traust... «
»Jaah?«
»Falls du damit gemeint hast, daß ich mit dir schlafen will - ja, ich habe solche Motive. Aber ich weiß nicht, was daran so verdächtig ist.«
Meine Güte. So offen habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht geredet. Danke, Karen! Dina dreht sich wieder zu mir um und sieht mich mit Augen an, aus denen ich lese: »Hast du etwa geglaubt, jetzt senke ich verschämt den
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