Ab ins Bett!
guckte in der Zeitung nach einer neuen Wohnung, besorgte mir einen Teilzeitjob, überlegte, ihn anzurufen. Dann, ein paar Tage später, stellte ich den Fernseher an, und meine Welt brach zusammen. Miles war wie immer zum Camp gegangen und organisierte ein Spiel: Guerillakrieg war es, glaube ich. Nur mit einem Unterschied: Er hatte ein richtiges Gewehr mitgenommen.«
Jetzt erinnere ich mich. Ein Psychokiller in Amerika. Ich wünschte, ich hätte die Zeitungen gründlicher gelesen.
»Eine verdammte Kalaschnikow.«
»Scheiße. Wo hatte er die denn her?«
»In New York kriegst du alles, was du willst. Sich eine Waffe besorgen ist ein Kinderspiel.«
»Und dann? Was geschah?«
»Er tötete drei Leute und verletzte fünf. Die Bullen wurden gerufen, aber das Ganze spielte sich natürlich mitten im Wald ab, auf einem Gelände, das Miles selbst angelegt hatte - er war im Vorteil. Er war der Vietcong.«
»Aber zum Schluß haben sie ihn erwischt?«
Sie zieht an ihrer Zigarette. »Nein, nicht direkt. Jimmy war es, der ihn schließlich erwischte. Mit seinem Farbgeschoß.«
»Wirklich?«
»Miles hatte es auf ihn abgesehen. Aber, wie gesagt — Jimmy war so gut wie er, und deshalb trickste Miles ihn dauernd aus, verwischte seine Spuren und lauerte ihm auf. Eins wußte Miles allerdings nicht, daß Jimmy sich nämlich selbst ein paar Unterschlupfe auf dem Gelände zugelegt hatte, in Felshöhlen, auf Bäumen oder sonstwo. Und er war gerade in einem seiner Verstecke, als Miles mit blutrünstigem Geschrei auftauchte. Jimmy rührte sich nicht. Schließlich setzte sich Miles auf einen Baumstumpf und nahm seine Maske ab.« Sie schweigt eine Sekunde und starrt mit leerem Blick auf irgendeinen fernen Punkt im Zimmer. »In einigen Zeitungsberichten stand, er hätte geweint.« Ihre Augen kehren aus der Ferne zurück. »Jimmy kam aus seinem Versteck, rannte los und bespritzte Miles mit Farbe, was ihn lang genug blendete, daß er ihm die Kalaschnikow abnehmen konnte, die er ihm dann in den Nacken drückte und ihn aus dem Wald führte. Sowie sie am Rande des Geländes auftauchten, durchsiebten die Bullen Miles mit ihren Kugeln.«
Dina sieht zu Boden. Kind of Blue verdunkelt sich zu Schwarz. Schweigen strömt in den Raum wie Zyklon B.
»Mein Gott, Dina, das tut mir wirklich leid.«
»Jaah.«
»Ich... uhmm... ich glaube, ich habe in der Zeitung davon gelesen.«
Sie blickt wieder auf. »Jaah. In den Zeitungen hier stand es bloß auf Seite zwei oder drei. Zum Glück machten mich die amerikanischen Zeitungen nicht ausfindig, und am nächsten Tag reiste ich nach England ab, und so... kam ich aus der ganzen Sache raus. Es stand sowieso nirgends, daß Miles eine Freundin hatte, die Zeitungen schrieben bloß endlos darüber, was für ein Field Jimmy war, wer die Geschichte verfilmen wird und so weiter. Einige der besseren Zeitungen brachten lange Leitartikel darüber, ob Farbgeschoßwettkämpfe verboten werden sollten oder nicht. Und keiner hier in England weiß, daß ich mit der Sache zu tun hatte, außer Ben und Alice und jetzt dir.«
Ich weiß wirklich nicht, was ich sagen soll. Also sage ich: »Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll. Es ist wie... ich meine, alle zwei oder drei Monate liest man, daß in Amerika so was passiert, aber irgendwie kommt es einem... unwirklich vor, verstehst du? Man glaubt es irgendwie nicht, nicht so...«, ich überlege einen Moment, »...wie man’s glaubt, wenn hier in England Geldtransportfahrer zusammengeschlagen werden oder der >Rohrfrei<-Notdienst Callboyfleisch aus verstopften Abflüssen holt. Ich meine, da weiß man, es ist von dieser Welt und wirklich.«
»Tja, na ja, einige der wirklichen Details habe ich weggelassen. Tut mir leid.«
Vielleicht war es doch nicht so klug, das Absurde und Spektakuläre der Miles-Geschichte so zu demontieren. »Gottogott, wie schrecklich«, wäre vielleicht besser angekommen. Aber, offengesagt, so unwirklich empfinde ich das alles auch wieder nicht, vielleicht weil es für mich so sehr von dieser Welt ist, daß meine Gedanken bei Dinas Erzählung immer wieder zu der Frage abschweiften, wie ich das Ganze auf Sex hinsteuern kann.
»Warum hast du dich entschlossen, mir davon zu erzählen?«
»Weiß ich selber nicht«, sagt Dina finster. »Ich bereue es auch schon.« Eine Andeutung von Verletztsein muß über mein Gesicht huschen, denn sie sagt schnell: »Tut mir leid, so habe ich es nicht gemeint. Es tut mir gut, wenn ich darüber reden kann... und
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