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Ab ins Bett!

Ab ins Bett!

Titel: Ab ins Bett! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baddiel
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für Nintendo hatten, sprangen auf der anderen Straßenseite gegen eine Gartenmauer und der ferne Lärm der High Road. Als mir einfiel, daß Freitagabend war, machte ich mir im Geist eine Notiz, das Pub rechtzeitig zu verlassen, ehe auf der High Road die Hölle losbrach. Als ich vor ungefähr drei Jahren das erste Mal Freitag nachts mit dem Spätbus die Kilburn High Road heimfuhr und vom Oberdeck aus runterguckte, dachte ich: Da ist ein Straßenkrawall zugange. Das wird morgen in den Zeitungen stehen. Männer, die mitten durch den Verkehr über die Straße wankten, Polizei, die Autos über die Bürgersteige jagte, dunkle Gestalten, die sich verzweifelt in den Hintereingängen von Tanzclubs liebten. Ich stieg aus, ging an brennenden Mülltonnen vorbei heim und rechnete jeden Moment damit, Mad Max auftauchen zu sehen. Aber mit der Zeit wurde mir klar, daß es jede Freitag- und Samstagnacht in Kilburn so zugeht. Wenn man also früh genug vom Pub aufbricht, bleibt die Hölle dort drinnen und ist noch nicht auf die Straßen übergeschwappt.
    »Gabriel«, sagte Dina und weckte mich aus meinen Meditationen, »ich glaube... ich glaube, es kommt aus deiner Mülltonne.«
    Ich sah hinüber zu der großen schwarzen Mülltonne seitlich von unserem Gartentor an der Wand zum Nachbarhaus. Angst stach wie mit einem Dolch nach mir. Ich kenne diese Art Angst, aus Horrorfilmen — die unerträgliche Spannung, und dann zeigt es sich plötzlich, das Monster, das auf der Lauer lag - im Kino weiß ich, was ich zu tun habe. Aber hier? Ich kann ja nicht den Deckel hochheben und gleichzeitig mit beiden Händen mein Gesicht bedecken.
    »Kümmern wir uns nicht weiter drum«, sagte ich und ging weiter.
    »Gabriel!« rief Dina und zog mich am Jackenärmel zurück. »Sei nicht albern.« Ohne ersichtlichen Grund senkte sie die Stimme zu einem Flüstern. »Guck nach, was es ist.«
    »Aber ich habe Angst«, sagte ich. Die Sorte Dinge auszufechten, ist noch nie meine Stärke gewesen.
    »Ach, sei nicht so blöd«, sagte Dina und stapfte zur Mülltonne hin. Eine Sekunde zögerte sie, und dann, mit der ganzen inneren Stärke einer Frau, die verkraften mußte, daß ihr Ex-Lover nach einem Vier-Tote-Farbgeschoß-Amoklauf von der New Yorker Polizei erschossen wurde, hob sie den Deckel. Von meinem Standpunkt, ungefähr zwei Meter entfernt, hörte ich das Wimmern lauter werden, aber nicht stocken. Offenbar hatte der Wimmerer gar nicht gemerkt, daß der Deckel abgenommen wurde. Ich sah Dina sich über die Tonne beugen, zusammenzucken und vor Schreck zurückweichen.
    »Guck dir das an«, zischte sie mir zu. »Komm und guck’s dir an.«
    »Kannst du mir nicht einfach sagen, was es ist?«
    »KOMM UND GUCK!«
    Widerwillig, mit der halben Durchschnittsgeschwindigkeit Lydia Frindels bewegte ich mich auf die Mülltonne zu. Als ich direkt davor stand, guckte ich immer noch geradeaus zu Dina hin, aber dann überwältigte mich der Wissensdrang: Durch meine Angst hindurch spürte ich, wie die Hand der Neugier mir den Kopf nach unten drückte, so wie ich es manchmal, aber sanft, bei zimperlichen Frauen machen mußte. Und dann, als mein Kinn auf meine Brust traf, sah ich Nick. Nackt und wimmernd, die Augen fest vor der Außenwelt verschlossen, kauerte er in unserer Mülltonne wie ein Fötus in einem besonders dumpfigen und fauligen Bauch. Ich starrte auf seinen zuckenden, von karottenfarbenem Schleim überzogenen Haarschopf, und mir schoß der Gedanke in den Kopf, daß er, Nick, nie in diese Tonne gekommen wäre, hätte ich je unseren Mülleimer mit dem Schwingaufsatz geleert.
    »Sollen wir die Polizei rufen?« sagte Dina, immer noch flüsternd.
    »Ehhmm... nein. Es ist ja schließlich kein Verbrechen, was er begeht, oder?«
    »Na, als erstes Erregung öffentlichen Ärgernisses! Und zweitens Hausfriedensbruch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, es ist doch deine Mülltonne, oder nicht?«
    Erst da fiel mir ein, daß sie Nick ja noch nicht kannte. Was für eine nette Einführung!
    »Ja schon. Aber ich fürchte... die Sache ist nur die... es ist auch seine Mülltonne.«
    »Wie?«
    »Wir zwei wohnen zusammen.«
    Dina fiel das Gesicht runter, außer ihrer rechten Augenbraue. Ich wußte, was sie jetzt dachte, aber sie buchstabierte es mir trotzdem vor.
    »Himmelarsch, Gabriel«, schnaubte sie, drehte sich um und hob ihre Stimme innerhalb des Bruchteils einer Sekunde vom Geflüster zum Geschrei. »Und ich dachte schon, mit jemand zusammen zu sein, der sich als Psychokiller

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