Ab ins Bett!
Ordner zu.
»Zweihundert Pfund? Aber ich lebe von der Arbeitslosenhilfe!«
Der Mechaniker zuckt die Achseln: im Grunde dieselbe Schulterbewegung wie sie meine Großmutter neulich machte, aber seine ist so unjüdisch, so yokisbe, daß es sich um eine völlig andere Geste zu handeln scheint. Das Achselzucken meiner Großmutter sagte: »Leben! Liebe! Zeit! Leiden! Wer weiß?« Seines sagt: »Nicht mein Problem, Kumpel!«
Ich verlasse die Werkstatt, nachdem ich feierlich versprochen habe, die zweihundert Pfund aufzutreiben, die nötig sind, etwas zu ersetzen, das für mich nach bayrischem Essen klingt. Ich glaube, ich sollte vielleicht doch anfangen, diese Kolumnen zu schreiben.
»Na, was würden Sie denn annehmen?«
John Hillman, mein Wiedereingliederung-in-den-Arbeitsprozeß-Betreuer, guckt mich verächtlich an. Ansonsten verzieht er keine Miene, beugt sich vor, die Hände am Rande seines Resopalschreibtischs so fest zusammengepreßt, daß die Knöchel gelb angelaufen sind. Sein Namensschild jedoch, das ihm kühn eine Spur zu hoch auf dem Revers sitzt, erzittert leicht, was ich als Zeichen verstehe, daß er trotz allen aufgesetzten Gleichmuts von meinem Desinteresse an seinen Wiedereingliederungsvorschlägen leicht erschüttert ist.
»Wirklich, John, ich habe keine Ahnung.« Obwohl ich, wenn ich mit meinem Betreuer spreche, immer darauf bedacht bin, weder anbiedernd noch herablassend zu klingen — es ist schließlich nicht seine Schuld, daß er so einen Job macht —, kann ich nicht widerstehen, ihn »John« zu nennen. Aber eigentlich schreit alles an ihm nach Mr. Hillman — sein »Typen wie dich durchschaue ich«-Gehabe, sein Burton-Anzug, sein blaues Hemd mit weißem Kragen, seine dicke Hornbrille, die Sorglosigkeit gegenüber seiner Nasenlochbehaarung, sein leicht herber Körpergeruch, seine Angewohnheit, mehrmals auf den Knopf seines Parker-Kulis zu drücken, ehe er irgendwas hinschreibt, und seine (jetzt rate ich) Getrennte-Schlafzimmer-Regelung mit seiner Frau, eigentlich aufregend, wenn man’s genau bedenkt, denn so kann er über den Flur schleichen und sie überraschen, wenn er in Stimmung ist. Sie kennen das ja, wie die meisten Leute - Sie, ich, alle Ihre Bekannten -sich im Grunde fühlen wie mit vierzehn. Und doch begegnet man hin und wieder Leuten, die genau das Alter abstrahlen, das sie haben: Mr. Hillman zum Beispiel. Aber ich nenne ihn John, sehr zu seinem offenkundigen inneren Arger. Ich finde, er hätte sich die Risiken klarmachen sollen, als er sich das Namensschild ansteckte.
»Jedenfalls nicht«, sage ich, »... was waren es wieder für Jobs?«
Mr. Hillman entklammert seine Hände und greift zu dem grünen DINA4-Blatt, das in dem von seinen Armen gebildeten »V« gelegen hatte.
»Packer im Safeway-Kaufhaus, Holloway Road, 7.00 - 19.00 Uhr, Mo. — Sa., 170 Pd. pro W.« Er liest mit klarer, präziser Stimme, benutzt all die Abkürzungen. »Dosenabfüllen, Peek Frean-Fabrik, Walworth, 9.00 - 17.30, Mo. - Fr., 155 Pd. pro W., Maurerlehrling, Dagenham-Gelände, Teilzeit, Mo., Di., Mittw., 90 Pd. pro W., Kellner, Jennys Walthamstow, mittags und abends. 70 Pd. Fixum pro W., plus Trinkgelder.«
Er blickt hoch, keinen Knitter Ironie im Gesicht. Ich habe den Kopf auf die Hände gestützt und ziehe die Unterlider runter, bis das Rote zu sehen ist.
»Fehlt Ihnen was?« fragt er.
»Nein«, sage ich und mache mir klar, wie mein Gesicht auf ihn wirken muß. »Bloß ein bißchen müde. Ich schlafe nicht sonderlich gut.«
Er überlegt einen Moment und kratzt sich an der rechten Schläfe. »Haben Sie’s schon mal mit Baldrian probiert?«
»John«, sage ich und lehne mich mit der gleichen Lässigkeit, wie ich seinen Namen ausspreche, in meinem Stuhl zurück. »Arbeiten Sie gern hier? In dieser abgeteilten Zelle mitten im Willesden-Sozialamt?«
Seine Stirn furcht sich — was sollte eine Stirn sonst wohl tun, frage ich mich —, wie, Komm mir nicht auf diese Tour. Nicht bei mir !»Ich sehe nicht, welche Rolle das spielt.«
»Ich würde es einfach gern wissen.«
Er rutscht mit dem Stuhl ein Stück vom Schreibtisch zurück, wobei er nicht aufhört, mich mißtrauisch zu mustern.
»Nein, besonders gern arbeite ich hier nicht«, sagt er. »Ich bin hier, um den Leuten zu helfen, damit sie Arbeit finden. Aber gedankt wird mir das nicht. Im Gegenteil, ich muß mir allerhand gefallen lassen — von Leuten, die um zehn Uhr morgens betrunken herkommen, Leuten, die einem erzählen, sie suchen einen Job, aber
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