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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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Kapitän.« Clarissa tippte mit den Fingerspitzen an die Stäbe, die leise klirrten.
    »Wir haben uns geirrt«, sagte Cortez. »Aber jetzt haben wir die Gelegenheit, alles in Ordnung zu bringen. Wir können die Menschheit davor schützen, unsere Fehler zu wiederholen. Ja, wir können sie beschützen. Aber es muss ein Opfer geben.«
    »Wir. Wir alle sind das Opfer.«
    »Genau. Wir werden hier in der Dunkelheit sterben, abgeschnitten von allen, die wir gerettet haben. Und denen, die hier bei uns sind, werden wir verhasst sein. Vielleicht bestraft man uns, oder wir werden sogar hingerichtet.« Er drehte die Hand, um die ihre zu berühren. Der direkte Hautkontakt schockierte sie. »Ich lüge Sie nicht an, Clarissa. Was ich von Ihnen erbitte, wird in diesem Leben nicht belohnt werden.«
    »Was wollen Sie denn? Was soll ich dabei tun?«
    »Die Menschen werden versuchen, uns aufzuhalten. Vielleicht versuchen sie sogar, den Kapitän zu töten. Mir ist bekannt, dass Ihnen die Veränderungen Ihres Körpers die Möglichkeit schenken, Ihre natürlichen Fähigkeiten auf ein außergewöhnliches Maß zu verstärken. Kommen Sie mit und sorgen Sie dafür, dass der Kapitän nicht verletzt wird und nicht aufgehalten wird. Vielleicht müssen Sie auch nichts weiter tun, als einfach nur alles zu beobachten. Oder Sie sind diejenige, die über Erfolg und Fehlschlag entscheidet.«
    »Tot bin ich so oder so.«
    »Ja, aber der eine Weg führt einfach nur in den Tod, während der andere eine Bedeutung hat.«
    Kapitän Ashford und seine Wachen kamen zu ihnen. Das Klicken der Hacken auf dem Deck war leise wie das Ticken einer mechanischen Uhr. Der Moment näherte sich seinem Ende, und nun erwachte ein gewisser Widerwillen. Sie wollte nicht, dass Ashford zu ihr kam. Sie wollte in der Zelle bleiben und mit dem Geistlichen über Opfer und den Tod sprechen. Über die Bürde, etwas Schreckliches getan zu haben, das während ihres Lebens nicht mehr ausgeglichen werden konnte.
    Obwohl er jetzt ein wenig verschlossen wirkte, leuchteten Cortez’ hellblaue Augen freudig erregt. Er sah ihrem Vater überhaupt nicht ähnlich. Sein Gesicht war zu teigig, das Kinn zu breit. Er strahlte Aufrichtigkeit aus, während ihr Vater hinter seiner Maske immer über die Welt gelacht hatte. Doch in diesem Augenblick sah sie Jules-Pierre Mao in ihm.
    »Ich denke an die Menschen, die wir getötet haben«, sagte sie. »Wenn wir dies tun, sind sie alle ebenfalls für eine gute Sache gestorben.«
    »Aus dem edelsten aller Gründe«, stimmte Cortez ihr zu.
    »Wir müssen gehen«, drängte Ashford. Cortez entfernte sich von der Tür und faltete wieder die Hände. Nun wandte sich Ashford an sie. Mit dem zu großen Kopf und dem schmalen Körperbau der Gürtler war er wie eine Erscheinung aus einem Albtraum. »Die letzte Gelegenheit«, sagte er.
    »Ich mache mit«, erklärte Clarissa.
    Ashford zog die Augenbrauen hoch und blickte zwischen ihr und Cortez hin und her. Ein Lächeln spielte um seine Lippen.
    »Sind Sie sicher?« Er freute sich viel zu sehr, um Wert auf ihre Gedanken oder Beweggründe zu legen.
    »Ich sorge dafür, dass Sie niemand aufhält«, versprach sie.
    Ashford blickte noch einen Moment zu Cortez. Er war sichtlich beeindruckt. Dann salutierte er vor ihr, und sie erwiderte ungeschickt den militärischen Gruß.
    Als sie aus der Zelle trat, war ihr einen Moment lang schwindlig, was jedoch nicht an einer Veränderung der Schwerkraft oder der Corioliskraft lag. Es war der erste Schritt seit der Rosinante , den sie als freier Mensch tat. Ashford ging ihr voraus, die beiden Wächter redeten bereits über Einsatzgruppen und die Übernahme der Behemoth . Maschinenraum und Kommandozentrale befanden sich nicht in der rotierenden Walze. Deshalb wollten sie zunächst die Transferpunkte ganz im Norden und im Süden der Walze besetzen und den Aufzug sichern, der sie verband. Sie besprachen, wie sie in der Walze für Ruhe sorgen wollten, bis sie alles unter Kontrolle hatten, wer die Feinde beobachtete, wer schon auf ihrer Seite stand und wer noch überzeugt werden musste. Clarissa hörte kaum hin. Sie konzentrierte sich vor allem auf Cortez, der neben ihr ging, und auf das Gefühl, eine große Last in der Zelle zurückgelassen zu haben. Sie würde sterben, und dadurch würde alles, was sie falsch gemacht hatte, doch noch einen Sinn bekommen. Jedes Kind, das auf der Erde, auf dem Mars oder auf den Stationen im Gürtel geboren wurde, würde vor dem Protomolekül sicher sein. Dafür

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