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Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Abaddons Tor: Roman (German Edition)

Titel: Abaddons Tor: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James S. A. Corey
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leicht.
    »Ich nicht«, sagte Holden. »Wir reden über eine verrückte Angehörige des Mao-Clans. Diese Leute haben zweimal versucht, alle Menschen im Sonnensystem zu töten. Sie ist uns bis zum Ring gefolgt und hat versucht, uns umzubringen. Auch Sie hätten beinahe dran glauben müssen. Sie hat ein Raumschiff voller unschuldiger Menschen in die Luft gejagt, nur damit ich schlecht dastehe. Wer weiß, wie viele Menschen sie sonst noch ermordet hat? Wenn die UN sie in den Weltraum stoßen will, dann drücke ich persönlich auf den Knopf.«
    Es gab ein langes Schweigen. Holden sah Annas trauriges Gesicht, nachdem er ihre Hoffnungen zerstört hatte. Alex kicherte, alle drehten sich zu ihm um.
    »Ja«, sagte er in seinem leiernden Tonfall, »ich meine, Naomi wurde ja bloß halbtot geschlagen. Sie kann dieser Clarissa verzeihen, das ist keine große Sache. Aber die Freundin des Kapitäns wurde verletzt. Er ist ja hier das wahre Opfer.«
    Wieder wurde es still, als alle die Luft anhielten. Holden lief knallrot an und hörte ein Rauschen, als strömte ihm ein Fluss durch die Ohren. Hass, Schmerzen und Empörung rangen in ihm miteinander. Sein Bewusstsein schien zu flackern, und der Drang, Alex für diese Beleidigung zu verprügeln, war fast unbezähmbar.
    Dann verstand er Alex’ Worte, bemerkte Naomis Blick, und alles fiel von ihm ab. Warum, wollte er fragen, doch es spielte keine Rolle. Es ging um Naomi, die sich entschieden hatte. Es lag nicht bei ihm, Rache zu üben.
    Er war erledigt, erschöpft. Er wollte sich bei seinen Leuten auf dem Boden zusammenrollen und mehrere Tage schlafen. Endlich rang er sich ein Lächeln ab.
    »Mann«, sagte er. »Manchmal bin ich wirklich ein Arschloch.«
    »Nein«, widersprach Amos. »Ich sehe das genau wie du. Für das, was diese Clarissa angerichtet hat, würde ich sie jederzeit mit eigenen Händen töten. Aber Rotkäppchen hat uns gebeten, sie in Ruhe zu lassen, und Naomi stimmt ihr zu. Also sollten wir uns anschließen.«
    »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte Holden kalt zu Anna. »Ich werde der Frau nie verzeihen, was sie getan hat. Niemals. Aber weil Sie mich darum gebeten haben, werde ich sie nicht an die UN ausliefern, denn wenn Naomi loslassen kann, dann muss ich es wohl auch tun.«
    »Danke«, sagte Anna.
    »Geben Sie uns Bescheid, falls sich die Wetterlage ändert, Rotkäppchen«, ergänzte Amos. »Denn ich habe dann bestimmt immer noch Lust, sie umzubringen.«

37    Clarissa
    Zuerst wusste sie nicht, worin die Veränderung überhaupt bestand. Es waren Kleinigkeiten, die ihr auffielen. Das nackte Deck, auf dem sie wie eine Tote geschlafen hatte, fand sie auf einmal sehr unbequem. Immer öfter fragte sie sich, was ihr Vater in seiner Zelle tat, die fünf Milliarden Kilometer entfernt war oder sich womöglich sogar in einem anderen Universum befand. Mit den Fingern tippte sie auf das Gitter, um die unterschiedlichen Töne der Stäbe zu hören. Und sie hasste.
    Hass war nichts Neues. Sie lebte schon so lange mit ihm, dass es auch in ihren Erinnerungen nichts als Wut und Selbstgerechtigkeit gab. Vorher hatte sie allerdings Jim Holden gehasst, während sie jetzt Clarissa Mao hasste. Der Selbsthass besaß eine Reinheit, die sie angenehm fand. Es war eine Läuterung. Jim Holden hatte sich ihrer Rachsucht entzogen und war nicht verzehrt worden. Nun lebte sie selbst in den Flammen und wusste, dass sie es verdient hatte zu verbrennen. Das war, als spielte sie ein Spiel auf der leichtesten Stufe.
    Sie tippte auf die Stäbe. Die Unterschiede waren nicht groß genug, um eine Melodie zu spielen. Wäre es möglich gewesen, dann hätte sie gespielt, um sich abzulenken. Sie fragte sich, ob ihre zusätzlichen Drüsen ausreichten, um die Stäbe zu verbiegen oder die Tür aus den Scharnieren zu reißen. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Wenn sie ihre Zelle verließ, wurde sie im günstigsten Fall von einem Wächter der AAP niedergeschossen. Im schlimmsten Fall hätte sie sich befreit.
    Wenigstens redete der Kapitän nicht mehr mit ihr. Sie beobachtete den Besucherstrom, der zu ihm kam, und wusste inzwischen recht genau, welche Wächter auf ihn hörten. Zweimal tauchten Marsianer in Militäruniformen auf, auch ein paar UN-Vertreter ließen sich blicken. Sie kamen und trafen sich mit Kapitän Ashford, sprachen leise mit den Stimmen von Menschen, die sich selbst und einander sehr ernst nahmen. Den Tonfall kannte sie, weil sie früher oft ihren Vater belauscht hatte. Sie erinnerte sich,

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