Abaddons Tor: Roman (German Edition)
Seitdem schmeckten Cashewkerne und Curry wie der Sieg.
Also würde Melba ihre Sachen packen, wenn sie hier fertig war. Alles in eine Kiste stecken und vergraben oder verbrennen. Clarissa konnte bei ihren Geschwistern leben. Petyr besaß inzwischen ein eigenes Schiff. Sie konnte dort als Elektroingenieurin arbeiten, überlegte sie lächelnd. Im schlimmsten Fall konnte sie auch bei Mutter bleiben. Nachdem sie den anderen erzählt hatte, was sie getan und wie sie den Familiennamen gerettet hatte, konnte Clarissa sich daranmachen, die Firma wiederaufzubauen, damit ihr Reich unter ihrem eigenen Namen neu entstand. Vielleicht konnte sie sogar ihren Vater aus der Gefangenschaft und aus dem Exil befreien.
Der Gedanke erfüllte sie zugleich mit Hoffnung und Müdigkeit.
Lautes Klirren und fernes Gelächter holten sie in die Gegenwart zurück. Sie überprüfte die Wartungsvorhaben der nächsten zehn Tage – die elektrischen Systeme dreier kleiner Kriegsschiffe und eine Inventur der Einschubkarten standen auf dem Programm –, notierte die Schiffszeit und schloss das Terminal. Die Messe war zur Hälfte gefüllt, als sie dort eintraf. Die Angehörigen eines Dutzends anderer Teams aßen gemeinsam, redeten und verfolgten die Nachrichtensendungen über den Ring und über sich selbst und alle anderen, die dorthin unterwegs waren. Soledad saß allein am Tisch und starrte wie gebannt das Handterminal an, während sie eine grünbraune Paste aß, die nach Exkrementen aussah und wie der feinste Rinderbraten der Welt roch. Melba sagte sich, sie müsste es nur als eine Art Auflauf betrachten, dann wäre es wohl gar nicht so schlecht.
Sie holte sich einen Teller und einen Trinkbeutel mit Zitronenwasser und ließ sich gegenüber von Soledad nieder. Die Frau hob mit einem kleinen, aber aufrichtigen Lächeln den Kopf.
»Hallo, Boss«, sagte sie. »Wie läuft es so?«
»Alles wunderbar«, antwortete Melba lächelnd. Melba lächelte öfter als Clarissa. Das war ein interessanter Gedanke. »Was habe ich verpasst?«
»Einen Bericht vom Mars, dieses Mal vor allem Daten. Das Schiff, das durchflog, hat den Kurs gewechselt.«
»Wirklich?«, antwortete Melba. Nachdem die Beobachter die schwachen Signale des zusammengepfuschten kleinen Schiffs aufgefangen hatten, mit dem all dies begonnen hatte, war man zunächst zu der Ansicht gelangt, es sei von irgendetwas auf der anderen Seite des Rings zerstört worden und befinde sich jetzt im freien Fall. »Hat es noch einen Antrieb?«
»Das ist möglich«, erklärte Soledad. »Die Daten belegen, dass es sich bewegt, allerdings erheblich langsamer als beim Eintritt. Außerdem haben sie Sonden hineingeschickt, von denen ebenfalls eine gepackt wurde. Normaler Schub, und dann, peng, blieb sie stehen. Das Signal ist verzerrt, aber es scheint so, als flöge sie auf dem gleichen Kurs wie das Schiff. Als würden sie … zu ein und demselben Ort geführt oder so.«
»Verrückt«, erwiderte Melba. »Aber ich glaube, nach Eros können wir sowieso nur noch verrückte Sahen erwarten.«
»Mein Dad war auf Eros«, meinte Soledad, und auf einmal schnürte es Melba die Kehle zu. »Er hat in einem Casino als Wachmann gearbeitet und aufgepasst, dass niemand die Spiele hackt. Er war fünfzehn Jahre dort und sagte, er wolle dort auch seinen Ruhestand verbringen – ein kleines Wohnloch mieten, wo er nicht so viel wog, und von seiner Rente leben.«
»Das tut mir leid.«
Soledad zuckte mit den Achseln.
»Jeder muss irgendwann sterben«, entgegnete sie grantig, dann wischte sie sich mit dem Handrücken die Augen aus und konzentrierte sich wieder auf den Bildschirm.
»Meine Schwester war auch da«, erklärte Melba. Das entsprach ganz und gar der Wahrheit. »Sie war eine der Ersten, die infiziert wurden.«
»Verdammt auch.« Soledad suchte ihren Blick. Das Terminal war vergessen.
»Ja.«
Die beiden Frauen schwiegen eine Weile. An einem anderen Tisch stieß sich ein Gürtler, der höchstens zwanzig Jahre alt war, das Knie an der Tischkante und verfluchte zur Erheiterung seiner Freunde die zwergenhaften irdischen Designer.
»Glauben Sie, dass sie noch dort sind?«, fragte Soledad und nickte in die Richtung ihres Terminals. »Da waren doch diese Stimmen zu hören. Die Sendungen, die von Eros ausgegangen sind. Sie wissen schon – das, was man danach hören konnte. Das waren doch Menschen, oder?«
»Sie sind tot«, widersprach Melba. »Auf Eros sind alle tot.«
»Oder mindestens verändert«, räumte Soledad ein. »Ein
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