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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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unsichtbaren Last herab und er ließ den Kopf hängen. Auch die beiden anderen hatten keine Argumente mehr. Sie waren plötzlich auch ganz klein und furchtbar müde. Viel zu müde, um noch klare Gedanken fassen zu können.
    „Wir bringen sie zurück ins Camp“, schlug der Security-Typ vor.
    Der Polizist sah die Jugendlichen an. Er fand das eine gute Idee und die drei widersprachen nicht mehr.
    Sie nickten. Zurück ins Camp. Die Aussicht auf ihre kuscheligen Schlafsäcke und eine Mütze voll Schlaf, wenn auch eine kleine, klang doch gar nicht übel.
    In Begleitung der Security-Typen marschierten sie davon. Verfolgt von dem besorgten Blick des Hageren, der plötzlich auf dem Bahnsteig erschienen war, als wäre er aus der Plakatwand hinter sich getreten. Auf dem Plakat sah man eine glückliche Familie, die für einen Inselurlaub warb. Lachen. Blaues Meer, Palmen ...
    [ 1160 ]
    Die eine Hälfte der Jugendlichen folgte Dr. Bohari und verschwand in einem Versammlungsraum in der Nähe, während Schifter seine Gruppe in einen Vorführraum führte und die Tür hinter ihr schloss. Im selben Moment trat Clint hinter dem Exponat einer überdimensionalen Voodoo-Puppe hervor und meldete in die Zentrale, dass es keine außergewöhnlichen Vorkommnisse gab.
    Im Vorführraum stand Simon am Fenster und schaute in das Gewitter hinaus. Edda sah ihn und trat zu ihm.
    „Früher hatte ich immer Angst vor Gewittern“, sagte sie.
    „Jetzt nicht mehr?“, fragte Simon.
    Edda schüttelte den Kopf. „Meine Großmutter hat mir beigebracht, dass es keinen Grund dafür gibt.“ Sie lächelte ihn an.
    „Da hat sie recht“, sagte er. „Ist nur Entladung von Elektrizität.“
    Edda schüttelte den Kopf. „Mehr als das, sagt meine Großmutter. Viel mehr ...“
    Die Vorhänge zogen sich auf Knopfdruck vor den Fenstern zu und es wurde dunkel. Simon und Edda wandten sich vom Fenster ab. Thorben bedachte Simon mit einem eifersüchtigen Blick und sah Edda schmachtend an. Sie schaute demonstrativ weg.
    „Wir werden uns jetzt einen Film ansehen, der sehr seltenes Material über einen Mann enthält, der euch vielleicht merkwürdig erscheinen mag. Sein Name ist August Engelhardt.“ Professor Schifter betätigte die Fernbedienung und auf der Leinwand erschien das alte Schwarz-Weiß-Bild eines langhaarigen Mannes mit Bart und grauen Haaren, der in einem Lendenschurz unter einer Palme saß und in die Kamera starrte. Edda war dieser Mann augenblicklich unsympathisch.
    „Sieht Ihnen ähnlich!“, rief einer der Teilnehmer aus dem Dunkel. Der Professor lachte.
    „Ja, könnte glatt mein Großvater sein ...“
    Jetzt schaltete Schifter den DVD-Spieler ein. »Der Ritter der Kokosnuss« hieß der Film und die Jugendlichen lachten, als sie den Titel lasen. Es war ein Dokumentarfilm, in dem das Leben eines Mannes geschildert wurde, der Deutschland 1902 verlassen hatte, weil es dort verboten war, sich in der Öffentlichkeit nackt zu zeigen. Im selben Jahr traf er in Deutsch-Neuguinea ein und kaufte sich eine Kokosplantage auf der Insel Kabakon. Der Film zeigte, wie er dort eine Religion begründete, die auf dem Glauben an die göttliche Qualität der Kokosnuss und deren Segen beruhte. Engelhardt veröffentlichte Bücher, in denen er behauptete, die Sonne sei der Quell allen Lebens auf der Erde und die Kokosnuss, die Frucht, die ihr am Nächsten wachse, sei die vollendete Nahrung des Menschen und könne ihn zu einem gottähnlichen Zustand der Unsterblichkeit führen.
    Der Film erläuterte detailliert die Pseudoreligion des »Kokovorismus«, deren Thesen äußerst abstrus waren: Das Gehirn sei das edelste Organ des menschlichen Körpers, da es sich der Sonne am Nächsten befinde. Es könne unmöglich Energie vom tief liegenden und schmutzigen Verdauungstrakt erhalten, sondern beziehe sie aus den Haarwurzeln, die ihrerseits vom Sonnenlicht ernährt würden. Aus diesem Grunde sei das Tragen jeglicher Kopfbedeckung schädlich.
    Bald kugelten sich die Jugendlichen vor Lachen. Auch die persönliche Tragik Engelhardts, die Tatsache, dass er selbst im Gegensatz zu seinen Aussagen über ewiges Leben und immerwährende Gesundheit dünn und krank wirkte, vermochte nicht ihr Mitleid zu erregen, sondern ließ ihn in ihren Augen einfach nur als lächerliche Figur dastehen.
    Nur Edda wurde immer unwohler zumute.
    Linus hatte sich vorsorglich in die allerletzte Reihe gesetzt und rief die zuletzt geladene Datei auf seinem I-Phone auf. Aber der Akku meldete sich gerade ab. Er

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