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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Gitter keinen Platz mehr gab. Die Fluten spülten hindurch, doch in wenigen Sekunden würden Edda, Linus und Simon auf das Gitter prallen und die Wassermassen würden sie dagegenpressen, sodass sie nicht mehr davon loskommen würden. Instinktiv drehte Simon sich. Es gelang ihm, mit dem Rucksack voraus auf das Gitter zuzutreiben. Jede Sekunde erwartete er den Schlag. Dann war er da. Kurz und schmerzvoll. Aber Simon ignorierte ihn. Er breitete die Arme aus und nahm Edda auf. Ihr Aufprall ließ Simons Kopf gegen das Gitter schlagen. Doch das Adrenalin, das durch seinen Körper pumpte, verhinderte, dass er ohnmächtig wurde.
    „Festhalten!“, schrie er Edda an und sah sich um.
    Wo war Linus?
    „Linus!“ Keine Antwort.
    Simon schrie aus Leibeskräften. Edda starrte in den schwarzen Tunnel. Längst hatte sie ihre Taschenlampe verloren.
    „Linus?“
    Simon griff zu dem Seil, das sie verbunden hatte und zog es zu sich heran. Es ging ganz leicht. Und dann hatte er die Anglerhose von Linus aus dem Wasser gefischt. Keine Spur von ihm. Edda und Simon schauten sich an.
    „Nein!“, schrie Edda. „Nein!“
    Sie konnte es nicht fassen. Wollte es nicht. Das durfte nicht sein. Sie wollte nicht denken, dass er tot sein könnte, und doch drängte sich der Gedanke immer heftiger in ihren Kopf. Edda spürte plötzlich wieder, wie nah sie Linus noch vor Kurzem gewesen war. Keine 48 Stunden war das her. Als sie glücklich waren, den perfekten Plan ausgetüftelt zu haben. Als sie beide in ihrem Übermut alle Angst vertreiben wollten und mit der Apparatur experimentiert hatten, die Linus ständig in dem Wagen mitkarrte. Mit einem Mal war eine Nähe zu Linus entstanden, deren Wucht sich Edda nicht erklären konnte. Wenige Sekunden war das, bevor die Gang sie überfallen hatte.
    „Linus“, schrie Edda wieder und Simon erkannte den schrecklichen Schmerz in ihrer Stimme. „Linus! Wir werden nicht sterben, das hast du versprochen! Linus! Bitte, Linus!“
    „Bin hier!“, hörten sie plötzlich. „Hier!“
    Da erst trieb Linus heran und schlug gegen das Gitter, auch er mit dem Rucksack voran. Er hatte sich die Hose ausgezogen, um nicht weiter herabgezogen zu werden. Sie waren wieder zusammen. Edda lachte, weinte.
    „Und jetzt?“
    Die drei wurden an das Gitter gepresst, konnten sich kaum bewegen. Stille. Nur das Rauschen des Wassers. Linus wartete nicht mehr auf die Stimmen der Sirenen. Sein Verstand hatte wieder begonnen zu arbeiten und übernahm. Er dachte nach.
    „Wir müssen drunter durch“, folgerte Linus schließlich.
    „In diese Scheiße tauchen?“
    „Sie steht uns eh bis zum Hals.“ Linus hatte recht.
    Dann ließ er die beiden zuerst einmal ihre Anglerhosen ausziehen. Seit er die Sirenen in sich zum Schweigen gebracht hatte, hatte er wieder Energie. Er stemmte sich gegen das Gitter und gegen die Strömung, um sie von Edda abzuhalten. Zwischen seinen Armen schälte sie sich aus der Gummihose und für einen winzigen Moment überlegte Linus, wie Edda wohl nackt aussehen würde. Er hasste sich für diesen Gedanken, jetzt und hier. Was für ein Idiot er doch war! Dann verlangte die Gegenwart wieder seine ganze Aufmerksamkeit. Simons Arm hielt sich an ihm fest, um seine Hose loszuwerden. Plötzlich gab es einen Ruck. Die Wassermassen hatten die Stützen des Gitters weggespült und es glitt weiter herunter. Verzweifelt versuchte Linus das Absacken des Gitters zu verhindern. Er hatte keine Chance. In der gemauerten Führung rutschte das schwere Eisengeflecht Richtung Grund. Jetzt war es unmöglich, darunter hindurchzukommen. Sie wussten, was das zu bedeuten hatte. Das Wasser stieg von Minute zu Minute weiter an. Wenn draußen der Regen nicht abrupt endete, waren sie verloren. Sie würden erbärmlich ersaufen.
    Simon konnte es nicht fassen. War das Schicksal, war Gott so zynisch, ihn so sterben zu lassen, wie sein Bruder gestorben war? Jämmerlich ersaufen? Er wollte das nicht akzeptieren. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er den Rand des Gitters ab. Dort, wo es an den Wänden in der Führung lief. Da gab es keine Chance hindurchzukommen. Der Kegel seiner Lampe tastete die Deckenwölbung ab. In der Mitte erfasste das Licht die beiden Ketten, an denen das Gitter offenbar wieder heraufgezogen werden konnte. Simon kletterte dorthin.
    „Was hast du vor?“, fragte Linus.
    „Uns retten“, sagte Simon lapidar.
    Er griff nach den Ketten, rüttelte daran. Nicht lange her, da hatte er an einer anderen Kette gerissen und gezerrt. Jetzt

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