Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
Vom Netzwerk:
hoffte Simon, dass sich das Gitter noch ein wenig nach unten bewegen würde, wenn er die Ketten lösen könnte. Dann könnten sie über das Gitter hinweg entkommen. Er beorderte die beiden anderen zu sich. Und kurz darauf klemmten sie unter der Decke wie Fliegen im Sommer in der Küche. Mit aller Kraft, die sie noch hatten, zogen und zerrten sie an den Ketten, doch nichts bewegte sich. Unerbittlich stieg das Wasser. Plötzlich hatte Simon seine Waffe in der Hand.
    „Bist du wahnsinnig?“
    „Was ist das? Wo hast du die her?“ Edda erschrak vor der Pistole und nur die schnelle Reaktion von Linus konnte sie vor dem Absacken in das schwarze Wasser retten. Simon verzichtete auf Erklärungen. Er hoffte nur, dass die alte Luger Parabellum trotz des Wassers noch funktionierte.
    „Zurück!“, ging er die beiden anderen an. „Hinter mich!“
    Linus und Edda kletterten hinter Simon. Mit letzter Kraft. Das kalte Wasser zehrte stärker an ihren Kräften, als sie es für möglich gehalten hatten. Edda spürte ihren Körper nicht mehr. Kaum einen Kopf hoch war jetzt noch Platz zwischen der Decke des Tunnels und der Wasseroberfläche. Ein entsetzlicher Knall erfüllte den Tunnel und überdeckte für den Bruchteil einer Sekunde das Tosen des Wassers. Simon hatte abgedrückt. Die Pistole funktionierte also noch. Die Kette aber war weiter intakt. Simon richtete mit der verbundenen rechten Hand die Taschenlampe auf die Ketten. Mit der linken zielte er. Der Verband behinderte ihn. Edda hatte das beobachtet und war schnell bei ihm.
    „Lass mich!“ Edda nahm ihm die Waffe ab. „Jetzt halt mich“, befahl sie Linus. Der umfasste ihre Taille und Edda hielt die Waffe mit vor Kälte tauben Händen.
    Simon leuchtete. Edda drückte ab. Die Kugel traf die erste Kette und das rostige Glied riss auf. Dann zielte Edda auf die zweite Kette. Sie hielt kurz den Atem an, krümmte den Zeigefinger. Sie musste sich zwingen ihn ganz zu beugen. Schuss! Noch ein Schuss. Noch einer. Und noch einer. Dann klickte es nur noch. Die sechs Schuss waren verbraucht. Nichts rührte sich. Fassungslos sahen sich die drei an. Verzweifelt ruckten sie an dem Gitter. Mit einem hellen Ton riss plötzlich die erste Kette. Das Gewicht des Gitters war für die zweite Kette alleine zuviel. Auch sie gab nach. Mit einem Ruck sackte das Gitter noch einmal einen knappen halben Meter Richtung Grund.
    „Los! Schnell!“ Linus rollte über das Hindernis hinweg und griff nach Eddas Hand. „Festhalten.“
    Edda und Simon gelangten schnell durch den Spalt. Sie griffen sich an den Händen und ließen das Gitter los. Sofort spülte sie das Wasser davon. Mit den Füßen machten sie Schwimmbewegungen, um nicht zu weit von dem Platz wegzutreiben, an dem sie ins Wasser gegangen waren. Aber das funktionierte nicht. Unkontrollierbar wie kleine Nussschalen schossen sie auf den Wassermassen durch das Dunkel.
    | 2107 |
    Im Stakkato von Zehntelsekunden flammten die Bilder auf dem riesigen Bildschirm auf. Sie zeigten die Beschaffenheit des Abwasserkanals, in dem sich die Kinder befanden. Die Frau am Computer war den Signalen weit voraus. Greta sah mit Sorge zu, wohin es Edda, Linus und Simon spülen würde.
    „Was für eine Chance haben sie?“, hatte sie gefragt. Dass es um das Überleben von Edda, Linus und Simon ging, musste sie nicht erwähnen. Das war eindeutig.
    „Der Kanal weitet sich dort, wo sie eingestiegen sind. Wenn sie es nicht schaffen genau da rauszukommen, haben sie keine Chance mehr“, sagte die Frau.
    Die Konstruktionspläne, die sie aufgerufen hatte, zeigten wenige Hundert Meter hinter der kurzen Strecke, an der sich der Kanal weitete, eine weitere Gitterkonstruktion, die groben Unrat aufhalten sollte. Bei normalem Wasserstand hätte das die Rettung sein können. So aber würde es zur Todesfalle werden. Bei der Kraft, mit der die Kinder von den Wassermassen mitgerissen wurden, würden sie an dem Gitter erdrückt werden.
    Ohnmacht.
    Greta hasste dieses Gefühl. Seit ihrer Kindheit hatte sie dagegen angekämpft. Die Bewegungslosigkeit ihres Körpers hatte sie zu akzeptieren gelernt und hatte die unendliche Beweglichkeit ihres Geistes dagegengesetzt. Doch jetzt musste Greta mit ansehen, wie das menschliche Potenzial für den nächsten Level, vielleicht sogar für einen Quantensprung der menschlichen Evolution, in einem Abwasserrohr Berlins um sein Überleben kämpfte. Alles, wofür ihr Geist, wofür GENE-SYS seit den Fünfzigerjahren gearbeitet und gekämpft hatte.
    Und

Weitere Kostenlose Bücher