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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Simon.
    Der starke Lichtkegel seiner Taschenlampe hatte einen weiteren Zufluss entdeckt, aus dem eine riesige Welle Abwasser hervorschoss. Als hätte jemand nur darauf gewartet, die drei Freunde auf ihrem Weg zu behindern. Linus wich aus. Aber der Wirbel, der sich durch die stürzenden Wassermassen bildete, zog ihm die Beine weg, zog ihn tiefer. Seine Arme ruderten durch die Luft, er griff nach einem Halt, um nicht unterzugehen. Da war Simons Hand. Sie stützte Linus, half ihm sich wieder aufzurichten. Besorgt sahen sich die Jungs an.
    „Shit! Wenn das Wasser weiter so steigt, ist uns der Rückweg versperrt.“
    „Sollen wir umdrehen?“
    „Wir haben etwas über die Hälfte hinter uns“, sagte Linus. „Ich hab nicht mit dem Wetter gerechnet. Ich hab ... Ich konnte nicht ahnen, dass es mitten im Winter ...“
    Edda nickte entschlossen und übernahm die Führung. Linus und Simon blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Simon schloss zu Edda auf und Linus schaute zurück. Er spürte, wie ihn für einen Augenblick der Mut verließ. Wenn das Wasser weiter so schnell steigen würde, wäre ihnen tatsächlich der Rückweg komplett abgeschnitten. Die so genial ausgetüftelte Flucht mit Marie wäre unmöglich. Er spürte einen Ruck an dem Seil, das an seinen Hosenträgern befestigt war.
    „Komm schon!“, rief Simon. „Wir müssen uns beeilen.“
    | 2105 |
    Wassermassen in den Straßen. Der Verkehr in Berlin war zum Erliegen gekommen. Greta sah mit wachsender Sorge die Bilder eines Nachrichtensenders, die die Schmatzende als kleines Fenster auf den Monitor zugespielt hatte. Die Reporter vor Ort berichteten von Niederschlägen, die in wenigen Minuten die Mengen von Wochen erreicht hatten. Sturzbäche waren entstanden und suchten sich ihre Wege. Vor allem in die Kanalisation. Greta spürte, wie Nervosität in ihr aufstieg. Sie wusste, dass dieses Gefühl keine Hilfe war, um rational entscheiden zu können.
    „Sie kommen langsamer voran“, sagte die Kaugummifrau so lakonisch wie immer. Sie hatte schon so viele Einsätze von hier aus geleitet, dass sie nichts mehr an sich heranließ. Greta überlegte, ob sie fragen sollte, ob sie eigene Kinder habe. Sie unterließ es. Die Kälte dieser Frau war für diese Aufgabe hier besser geeignet als die Obrigkeitshörigkeit der Stellvertreterin, die im Wechsel mit der Kaugummifrau ihren Dienst in der Zentrale tat. Und noch dazu rauchte wie ein Schlot.
    Im Kopf spielte Greta alle möglichen Szenarien durch. Und immer wieder kam sie zu dem gleichen Schluss: Edda, Linus und Simon hatten keine Chance da unten, wenn sie nicht umgehend den Rückweg antraten.
    „Dreht endlich um!“, entfuhr es ihr plötzlich. Nur kurz setzte das Schmatzen aus. Dann ging es im gleichen, steten Rhythmus weiter. Wenn Greta jetzt noch auf Clint hätte zurückgreifen können. Todsicher hätte er einen Ausweg gewusst.
    „Wann können wir ihnen endlich das Signal einspielen?“ Greta wurde ungeduldig. Die Frau schaute auf einen Computer, der neben ihr stand. Darauf bauten sich drei Kurven auf. Eine digitale Zeitanzeige lief rückwärts. In Slashes eingefasst stand da nur ein Wort: „ Rückzug “ .
    „Noch 24 Sekunden.“ Die Frau pegelte die an den Computer angeschlossene Apparatur auf die Sendefrequenzen der Signale ein, die von den Kindern ausgingen. An diese Signale würde die Apparatur in wenigen Sekunden Mikrowellen zurücksenden. Ein starker Impuls im Gigahertzbereich, der, wenn er auf den menschlichen Körper traf, eine Temperaturveränderung auslöste, begleitet von einer plötzlichen Ausdehnung des Gewebes. Diese Ausdehnung erfolgte so schnell, dass sie Schallwellen erzeugte. Die Kaugummifrau benutzte dazu einen Impulsstrom, der es möglich machte, ein inneres akustisches Feld. Das Wort „Rückzug“ würde für die Kinder hörbar sein.
    „Hoffen wir, dass es einen der drei erreicht.“ Greta schloss die Augen. Wartete.
    „18 Sekunden!“
    Greta erwischte sich dabei, wie sie nichts anderes als das Wort „ Rückzug “ dachte, als könnte sie das Signal verstärken, das der Computer gleich aussenden würde. Noch überraschender war für sie ein zweites Wort, das sich dabei in ihre Gedanken drängte: „ Bitte “ . Sie konnte es nicht fassen. An wen sollte dieses „ Bitte “ gerichtet sein, wenn nicht an ein höherstehendes Wesen? Ein kleines Wort warf in diesem Moment all ihren Atheismus über den Haufen. Greta schämte sich dafür.
    „Sieben Sekunden. Sechs. Fünf. Vier ...“
    | 2106

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