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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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Zweifel, dass er Edda nicht die Schuld an der Situation gab, in der sie sich jetzt befanden. Wenn, dann war es auch seine eigene Schuld. Er hatte das Wetter nicht bedacht.
    „Schluss mit Schuld“, sagte Simon. „Probleme sind dazu da, gelöst zu werden.“ Er leuchtete noch einmal die Wand ab.
    „Oben“, sagte Linus plötzlich. „Weiter nach oben!“
    Er richtete sich auf und nahm das Seil, das sie verbunden hatte. In der Mauer über dem Tunnelbogen hatte er einen Eisenträger entdeckt, der einen guten Meter hervorschaute.
    „Kann wer Cowboy?“
    Linus hatte ein Lasso aus dem Seil geknotet und schwang es über seinem Kopf. Edda leuchtete mit Linus’ Lampe nach oben und Linus schleuderte das Seil. Daneben. Es platschte ins Wasser , Linus verlor kurz den Halt. Simon packte ihn am Arm und hielt ihn fest. Linus holte das Seil wieder ein, versuchte es noch einmal und noch einmal. Das Wasser stieg weiter und hatte sich dem Sims schon bedrohlich genähert. Dann schaffte es Linus. Die Schlinge legte sich über den Träger und Linus zurrte sie fest. Er zog und zerrte, um zu prüfen, ob das Seil ihn halten würde. Das tat es. Es hatte sich hinter die fetten Schrauben gelegt, die an der Spitze nach oben aus dem Träger ragten.
    „Funktioniert“, stellte Linus fest. „Wer zuerst?“
    Auch wenn das Schweigen nur kurz war: Linus verstand, nickte und wand das Seil um seinen Körper, unter den Armen hindurch und verknotete es dann vor seiner Brust. So gesichert lehnte er sich weit zurück, drückte seinen Rücken steif durch und setzte seine Füße einen nach dem anderen gegen die Wand. Er bewegte sich voran, bis er im rechten Winkel waagerecht von der Wand weg stand. Dann ging er los. Schritt für Schritt. Als wäre er ein Gecko auf zwei Beinen. Absurd sah das aus, aber es funktionierte.
    Unter Linus toste das Wasser. Er musste innehalten, durchatmen. Sein Rücken schmerzte schon, aber noch lag die Hälfte der Strecke vor ihm. Edda und Simon starrten gebannt auf jeden Schritt, den Linus vorankam. Die letzten Meter waren die schwersten. Nicht nur, weil Linus langsam die Kraft ausging. Das Mauerwerk war über die Breite von gut zwei, drei Metern mit glitschig grünen Algen bedeckt.
    „Du musst mit den Beinen höher!“, rief Simon. „Damit du nicht nach unten wegrutschst.“
    „Du hast gut reden.“
    Noch einmal nahm Linus alle Kraft zusammen, ging zwei kleine Schritte weiter hoch, sodass er jetzt den Kopf tiefer hielt. Sein Blick fiel auf den Stahlträger. Das Seil spannte sich so, dass es zu vibrieren begann, als sei es genauso nervös. Linus bewegte sich weiter seitwärts. Es waren nur noch wenige Tritte bis zu dem Steg oberhalb des Kanals. Noch ein Schritt. Linus setzte den Fuß zu rasch auf. Der glitschige Untergrund bot keinen Halt. Sein Fuß rutschte die Wand hinunter. Edda schrie entsetzt auf. Das Donnern des Wassers verschluckte ihren Schrei. Sie schaute weg. Simon aber sah, wie Linus mit einer letzten Bewegung den anderen Fuß mit der Spitze an Land gesetzt hatte. Wie eine Primaballerina drehte er sich jetzt auf seinen Zehen, während sein Oberkörper am Seil über dem Kanal pendelte.
    Linus starrte in die schwarz glänzenden Strudel unter ihm. Er zwang sich zur Ruhe. Vorsichtig bewegte er sich ein wenig zur Seite und schaffte es, den zweiten Fuß auf den rettenden Steg zu platzieren. Sein Rückgrat bog sich nach vorne durch, als hätte er sein Leben lang rhythmische Sportgymnastik praktiziert. Noch hielt das Seil. Er nutzte die Spannung der Leine, schaukelte sich leicht vor und zurück und dann, mit einer letzten Kraftanstrengung, schnellte er nach hinten. Er kam von den Zehen auf seine Füße zu stehen, ruderte mit den Armen, um nicht wieder nach vorne zu fallen. Dann erwischte er mit der linken Hand die Mauer. Als hätte er Pattex an den Fingern, klemmte er seine Mittel- und Zeigefinger in den winzigen Mörtelspalt zwischen den Backsteinen. Er wusste, jetzt würde er nicht mehr loslassen. Jeder Muskel in seinem Körper konzentrierte sich darauf, Linus’ Leben zu retten. Dann stand er auf dem Steg.
    „Scheiße! Hätte nicht gedacht, dass das klappt.“
    „Sahst aus wie ’n fetter Mistkäfer, wie du da gerudert hast“, lachte Simon. Auch Edda lachte. Vor Erleichterung. Trotzdem hatte sie Tränen in den Augen. Linus hatte sich schon von dem Seil befreit und sein dickes, fettes Schweizermesser mit der Öse an dem Seil befestigt.
    „Achtung!“, rief er und schleuderte das Werkzeug über den Kanal zu

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