Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)
ihn nicht wieder freigeben. Sosehr Olsen auch gegen den Gegner kämpfte, er schien nicht zu greifen zu sein. Wohin sich Olsen auch bewegte, da war schon dieser weiße Schlund. Was war das? Er drohte komplett die Orientierung zu verlieren. Wo war oben? Wo unten?
Olsen wunderte sich, dass er trotz der ausweglosen Situation mehr und mehr seine Angst verlor. Der Profiler in seinem Hirn übernahm und analysierte klar. Es konnte sich bei dem Maul nicht um einen lebendigen Organismus handeln. Ganz einfach, weil es so etwas nicht gab. Olsen griff noch einmal nach dem Feind und erwischte ihn schließlich doch. Sofort war ihm klar, dass es sich um die Folie handeln musste, in die man ihn gewickelt und aus der ihn Elisabeth befreit hatte. Die Plastikplane hatte sich durch die Strömung im See aufgebläht und waberte hin und her.
Olsen tauchte aus der Folie hervor und erreichte den Grund des Sees. Er leuchtete herum. Der Lichtkegel der Taschenlampe erfasste die Seile, die Elisabeth gelöst hatte. Wie dünne Würmer ragten sie senkrecht in das trübe Wasser, strebten erfolglos zum Licht. An wenigen Stellen noch waren sie mit den Ösen der Folie verknotet und an Eisengewichten befestigt. Olsen tauchte nah zu einer dieser Stellen. Es war eine ganz normale weiße Abdeckfolie mit eingestanzten Eisenringen zum Befestigen von Halteseilen. Olsen untersuchte die Gewichte. Vier schwere Eisenständer für Sonnenschirme. Alle vier waren neu. Ebenso die Folie. Und Olsen fand endlich einen Hinweis. Ein Etikett haftete noch unter einem der Eisenständer: » Alberti, Oberursel «.
» Alberti Eisenwaren. Werkzeuge. Gartentechnik. Gartenmöbel « . Das versprach die Website der Firma. Kaum war er mit Herrn Wehner zurück im Haus von Elisabeth, hatte sich Olsen an ihren Computer gesetzt und nach „ Alberti “ in „ Oberursel “ gesucht. Der erste Treffer passte schon. „ Gartenmöbel ... “ Die eisernen Sonnenschirmständer. Wer auch immer ihn hatte umbringen wollen, er hatte die Gewichte bei Alberti in Oberursel gekauft. Olsen hatte endlich eine Spur. Und das fühlte sich gut an. Er spürte eine innere Spannung; vertraut und beruhigend. Er musste nach Oberursel.
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Als Thorben am Nachmittag aus der Schule heimkam und die Wohnungstür aufschloss, hatten sich die Körper von Edda, Linus und Simon auf dem breiten Hochbett gefunden und aneinandergeschmiegt, sodass ihnen trotz der zu kleinen Decke warm geworden war. Sie schliefen tief und fest.
Thorben stand im Flur, horchte. Er hörte keine Geräusche, stellte seine Schultasche ab und ging durch die Küche, wo immer noch die Frühstückssachen standen, in sein Zimmer. Leise stieg er die Holztreppe zum Hochbett hinauf und lugte hinein. Edda hatte einen Arm um Simon gelegt und ihr Bein lag auf Linus. Eifersucht. Dann aber sah er etwas, was ihn sofort ablenkte: Die Jungs trugen seine Unterhosen! Und Edda hatte sich in seinen Kinderbademantel gekuschelt. Thorben lächelte. Wie hübsch sie darin aussah. Er konnte sich gut vorstellen, wie ihre gemeinsamen Töchter aussehen würden.
Da drehte sich der Schlüssel in der Wohnungstür. Thorben erschrak. Seine Mutter war zurück! Weit vor ihrer Zeit. Hatte er sich mit ihrem Zeitplan geirrt? Wie ein Kugelblitz wirbelte er von der Leiter, lehnte die Tür an und flitzte geräuschlos zurück in die Küche, wo er hastig begann das Geschirr zusammenzuräumen und in die Spüle zu häufen, während er Wasser einließ und Spülmittel darüberspritzte. In der Zeit, in der seine Mutter ihren Mantel aufgehängt und die Toilette benutzt hatte, war es ihm gelungen, die gröbsten Spuren seiner Freunde zu beseitigen. Mit der Handtasche unter ihrem Arm trat Thorbens Mutter in die Küche.
„Was war hier denn los? Ist hier eine Bombe explodiert?“
Skeptisch starrte sie auf das randvoll schäumende Waschbecken, von dem kleine Seifenblasen in die Höhe stiegen.
„Hallo, Mutti!“, strahlte Thorben mit freundlichem Gesicht. „Die letzten Stunden sind ausgefallen. Ich hab mir was zu Essen gemacht.“ Breiter noch als sein Lächeln stellte er sich in Positur, um möglichst viel Chaos zu verdecken. Aber er wusste, er hatte keine Chance.
Mit einem Schwenk ihrer Augen scannte seine Mutter die Küche wie ein Haushaltsterminator, dem keine Veränderung, kein noch so kleines Detail entging. Schließlich blieb ihr Blick an Thorbens Kleidung hängen. Scheiße! Er hatte vergessen die Kleidung zu wechseln. Im Schrank auf dem Flur lauerte sein Thorben-Kostüm wie eine
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