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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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wich einen Schritt zurück.
    „Wage es nicht über mein eigen Fleisch und Blut zu richten! Du hast ihm die Unschuld genommen.“
    Eddas Augen weiteten sich. Fassungslos stand sie vor der älteren Frau, deren Stimme immer unheimlicher wurde. Es fehlte noch ein flammendes Schwert, dachte Linus. Thorben hielt sich am Türrahmen fest und beobachtete stumm das Geschehen. Die Vorstellung seiner Mutter, dass Edda ihm die Unschuld geraubt hatte, gefiel ihm.
    „Er hat seine Reinheit verloren“, stammelte Thorbens Mutter. „An die Hure Babylons.“
    Thorben, dessen Gesicht sich kurz zu einem wohligen Grinsen verbreitert hatte, rollte jetzt resigniert mit den Augen. Die Jungs auf dem Hochbett konnten sich das Lachen nicht mehr verkneifen. Edda aber war jetzt richtig wütend über die Beschimpfungen.
    „Hallo? Alte Eule! Geht’s noch?“, gab Edda der Mutter lauthals zurück und winkte mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht. „Es war nichts, klar? Das sind wohl nur Ihre kranken Fantasien!“
    „Du wagst es ...“
    Thorbens Mutter starrte Edda an und schob sich zwischen sie und ihren Sohn. Selig blickte Thorben auf die tapfere Edda. Wenn er doch nur selber einmal den Mut hätte, seiner Mutter so die Stirn zu bieten. Thorbens Mutter wollte den Sohn zurück in die Küche drängen. Sie vermied es auf Eddas Haut zu schauen, auf ihre langen, schlanken Beine, die unter dem weichen Frottee endeten. Obwohl Thorben wusste, dass dies wirklich nicht der passende Moment war, gelang es ihm kaum, den Blick davon zu nehmen, und seiner Mutter entging das nicht.
    „Ich will nicht wissen, was für einen Schmutz ihr hier in meiner Wohnung getrieben habt! Aber Thorben, du wirst mir alles erzählen und dann werden wir gemeinsam die Wohnung reinigen. Tage, ja Wochen wird es dauern, bis dieser Dreck reingewaschen ist ...“
    „Die Bude hier ist bestimmt nicht so schmutzig wie Ihre Gedanken!“ Edda merkte, dass sie immer wütender wurde und sich gleichzeitig das Lachen nicht verkneifen konnte, weil sie aus den Augenwinkeln sah, wie sich Simon und Linus auf dem Bett krümmten und vor Lachen fast erstickten. Auch Thorben lachte kurz auf, was seine Mutter noch wütender machte. Sie fuhr herum. Plötzlich war Thorben zwischen den Fronten gefangen.
    „Willst du wirklich so weiterleben?“, fragte Edda ihn.
    Thorbens Mutter fixierte Edda und schaute dann ihrem Sohn in die Augen. Die Antwort auf diese Frage interessierte auch sie brennend. Thorben richtete sich auf und holte tief Luft. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen. Wäre er ein stolz aufgeblasener Kugelfisch im blauen Ozean gewesen, hätte jeder seiner Feinde jetzt Reißaus genommen, doch dann verlor er mit einem Schlag an Volumen, und eine riesige Luftblase voll mit seinem Selbstbewusstsein schwebte an die Oberfläche und verpuffte. Thorboy schrumpfte. Abwechselnd wurde ihm heiß und kalt. Edda brachte auf den Punkt, was er dachte, fühlte und sich nie zu sagen, ja nicht einmal zu denken getraut hatte. Jetzt, da es gesagt war, spürte jeder hier die Macht dieser Frage. Sie verlangte als Antwort nichts als die Wahrheit und Thorben wusste, dass etwas geschehen musste. Dass jetzt der Moment war, der Augenblick, in dem er selbst das Heft in die Hand nehmen konnte. Noch einmal zog er die Luft ein, als wolle er das ganze Zimmer leer saugen. Mit finster entschlossenem Blick schaute er von seiner Mutter zu Edda und zurück. Dann nickte er, als habe er eben einen tief greifenden Entschluss gefasst.
    „Was soll ich denn tun?“, fragte er mit einer Stimme, die schrecklich kläglich klang. Seine Mutter lächelte wissend und wendete sich im Triumph zu den drei Eindringlingen.
    „Das musst du allein rausfinden.“
    Wie eine vertrocknete Zimmerpflanze die Blätter ließ Thorben die Arme hängen und senkte den Kopf.
    „Wo wollt ihr jetzt hin?“, fragte Thorben, dem klar wurde, dass er gleich wieder allein mit seiner Mutter sein würde und dass Edda ihn so klein, so erbärmlich erlebt hatte. Vor allem aber wollte er nicht sein, wer er gerade war. Doch er wusste nicht, was er tun sollte. Oder besser gesagt, er wusste es, aber er hatte Angst davor. Die drei Freunde hatten sich schon fast fertig ihre sauberen und getrockneten Klamotten angezogen.
    Edda und Linus schwiegen. Simon, der hinter Thorbens Mutter stand, sah, dass ihre Handtasche auf dem Tisch stand und geöffnet war. Ein paar Geldscheine blinzelten aus ihrer Brieftasche wie alte Freunde, die er fast vergessen hatte. „Geld!“, dachte Simon.

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