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Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition)

Titel: Abaton: Die Verlockung des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Kraemer
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beiden Jungs nicht fremd und zweitens waren sie noch da! Oh ja, dachte er bitter, sie hatte ihn gelehrt, sich in der weiten Welt der Halbwahrheiten einzurichten, um sich nicht permanent schuldig fühlen zu müssen, dafür, dass er ein Leben leben wollte, das nicht mit den Vorstellungen seiner Mutter übereinstimmte! Sein Leben! In dieser kleinen, mit Unfarben ausgelegten und beklebten Welt, in der er und seine Mutter sich jeden Tag begegneten wie in einem grausamen Menschenexperiment, das sich ein wahnsinniger Forscher ausgedacht haben musste und das kurz vor dem Zusammenbruch stand. Nein! Nicht vor einem Zusammenbruch. Vor einer Implosion von atomarer Qualität!
    Immer noch starrte die Mutter ihren Sohn an, doch Thorben merkte, dass sie nachgab, dass sie weich wurde. Aber wie lange sollte es noch dauern? Immer wieder bildeten sich neue Ausbuchtungen und Schlupfwinkel, in die sie sich beide vor Angst flüchten konnten: Angst davor, dass Thorben selbstständig werden würde. Angst davor, dass Thorben seiner Mutter wehtun könnte. Angst davor, dass sie allein sein würde, dass er zu seinem Vater gehen könnte. Angst. Angst. ANGST.
    Wie die Eskimos 49 Worte für Schnee hatten, so hatte Thorben 49 Worte für die Ängste und Stimmungen, die sich zwischen ihm und seiner Mutter breitmachten. Vielleicht war es seit den Ereignissen im Camp etwas weniger Angst, aber tief in seinem Inneren wusste er auch, dass jede Bewegung, die ihn Richtung Freiheit und Selbstbestimmung führte, von seiner Mutter mit aller Macht bekämpft werden würde und dass ihr Leben sich in Luft auflösen würde – und davor hatte er am meisten Angst.
    Die heimlichen Gäste auf dem Hochbett waren erwacht und orientierten sich. Dann hustete Edda ...
    Entsetzt musste Thorben mit ansehen, wie sich seine Mutter mit bösem Blick an ihm vorbei schob und die Tür zu seinem Zimmer aufriss. Verschlafen steckte Edda ihren Kopf über die Kante des Hochbetts. Thorbens Mutter stieß einen hohen und schrillen Schrei aus, als sei Edda eine gigantische Spinne. Dann fasste sie sich an ihr Herz und taumelte zurück in die Küche.
    „Was treibt dieses Flittchen in deinem ... deinem Zimmer? Hast du die Sachen von diesem Luder an?“
    „Na, so fett bist du auch wieder nicht“, kicherte Linus versteckt und leise zu Edda. Ihm machte die Situation sichtlich Spaß. Edda stieß ihn mit dem Fuß vor die Brust, sodass er fast vom Bett fiel. Der Streit der beiden aus der Küche klang wie der Soundtrack einer Komödie über ein altes Ehepaar.
    „Warst du nackt, Thorben?“ Die Mutter war kurz davor zu hyperventilieren. „Warst du nackt?“
    Edda musste lachen. Der arme Thorben.
    „Ist SIE nackt? Dieses Flittchen ...“
    Einem Brummkreisel gleich kugelte die Mutter mit hektischen Armbewegungen zurück in Thorbens Zimmer.
    „Thorben!“, befahl sie ihren Sohn zu sich und versuchte durchzuatmen. Wie ein gekrümmter Taktzähler aus Fleisch drohte ihr Zeigefinger vor Thorbens Gesicht lange, bevor sie endlich so gefasst war, dass sie zum Reden ansetzen konnte. Doch da bemerkte sie die Spuren von Eddas Lippenstift in Thorbens Gesicht. Den ganzen Tag hatte er das Rot getragen wie eine Auszeichnung. Alle Farbe wich aus dem Gesicht von Thorbens Mutter.
    „Da! Da! Lippenstift!“, stammelte sie. „Sodom und Gomorrha in meinen eigenen vier Wänden. Wie dein Vater! Heiliger Vater, warum strafst du mich so? Womit habe ich das verdient?“
    Sie war ganz kurz davor ihr Schicksal zu beweinen.
    „Is’ nix passiert, ehrlich“, sagte Simon und schaute nun neben Edda unter der Decke hervor.
    Das Gezeter war ihm zu viel geworden. Thorbens Mutter schnappte nach Luft.
    „Oh, mein Gott ...“
    „Er hat recht“, sagte Linus und robbte zwischen Edda und Simon an den Rand des Hochbettes. „Sie müssen sich keine Sorgen machen.“
    Das Gesicht von Thorbens Mutter wechselte erneut die Farbe. Einen Augenblick wusste keines der Kinder, was es sagen sollte. Das war auch nicht nötig.
    „Eine ... eine ... eine Orgie!“, sagte sie mit tonloser, fast erloschener Stimme und sackte kraftlos an die Wand.
    In Thorbens blassblauem Bademantel stieg Edda die Stufen herab und ging auf Thorbens Mutter zu.
    „Tut mir leid ... das ...“
    Thorbens Mutter wandte den Blick ab und krümmte ihren Körper, als peinige sie der Anblick von Edda in dem kurzen Mäntelchen mit großen Schmerzen.
    „Irgendwie ehrt es Ihren Sohn, dass Sie so schlecht von ihm denken“, sagte Edda. „Aber Thorben ...“
    Thorbens Mutter

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