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Abaton

Abaton

Titel: Abaton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Jeltsch
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sin’ de Sachen, die mer noch nit durchjeschaut haben ...“
    Linus wollte. Mit weißem Kittel und Chirurgenhandschuhen ausgestattet, begann er die Kisten mit den noch unbekannten Funden zu durchsuchen. Anfangs fühlte er sich wie ein Zwerg vor einem Riesen. Aber dann erinnerte er sich an Momo und den Straßenkehrer. Immer eine Platte nach der anderen kehren. Nie auf die ganze Straße schauen. Und so fing er an. Und stellte sich vor, Held in einem Abenteuerfilm zu sein. Klar, dass er erst am Schluss, wenn keiner der Zuschauer mehr damit rechnete, den entscheidenden Hinweis finden würde. Den Schlüssel für das Schloss, das die Tür zum Schatz öffnete, der den Helden reich, berühmt und vor allem begehrt machte.
    Bedauerlicherweise war er eben nicht Indiana Jones, sondern Linus aus Köln. Und so blieb seine Suche erfolglos. Nix berühmt, nix begehrt. Als die Arbeiter des Archivs nach Hause gingen, war auch Linus am Ende. Buchstäblich ...
    „Et kütt wie et kütt“, tröstete Frau Grass ihn zum Abschied.
    Auf dem Weg zurück über den Rhein beobachtete Linus ein junges Pärchen, das gemeinsam ein Schloss an dem Brückengitter befestigte, um sich für immer aneinanderzubinden. Wie es schon Tausende vor ihnen getan hatten. Wie Linus es getan hatte, ein paar Tage, nachdem seine Eltern verschwunden waren. Er hatte gehofft, dass es auch hilft, wenn man Menschen nicht verlieren möchte. Aber da war er einfach zu spät dran gewesen, dachte Linus und sah noch, wie das Pärchen den Schlüssel des Schlosses in den Rhein warf. Irgendwie erinnerten ihn das Mädchen und der Junge an Simon und Edda. Linus spielte mit dem I-Phone in seiner Hand. Er vermisste die beiden. Aber nach dem missglückten Abschied war er sich sicher, dass sie ihn bestimmt nicht vermissten. Er steckte das Handy wieder ein.
    [ 1245 ]
    Der gesamte Schultag verging wie dahingehauchter Atem auf kaltem Glas. Eddas Ausstrahlung und ihr neuer Look wurden bewundert und in den beiden Pausen war sie der Mittelpunkt. Sogar Frau Kubitschek, die Deutschlehrerin, die Edda bislang nicht hatte leiden können, bemerkte, es sei doch angenehm, neuerdings eine Schülerin mit solch einem Selbstvertrauen und natürlicher Ausstrahlung wie Edda in der Klasse zu haben.
    Alle lachten. Man beglückwünschte sie zur Teilnahme am Camp. Das musste die Wandlung bewirkt haben.
    „Vielleicht ein Junge, den du dort kennengelernt hast?“, fragte eines der Mädchen.
    „Nicht einer“, sagte Edda gelassen. „Zwei.“ Und sie sagte es so, dass sowohl Sophie wie auch Marco es hören mussten.
    Als Edda mit dem Bus nach Hause fuhr, wusste sie selbst nicht, was passiert war. Waren die Leute so oberflächlich oder hatte sich wirklich etwas an ihr verändert? Etwas, das man spüren konnte und nicht nur sehen? Was, wenn es morgen wieder weg wäre? Oder würde es jetzt für immer bleiben? Sollte Edda von nun an jeden Tag das Gleiche anziehen? Oder lag dieses Etwas in ihr? Etwas, das es ihr möglich machte, zu tun, was sie wollte, und sich dabei wohlzufühlen? Plötzlich hatte Edda Angst, dieses Etwas wieder zu verlieren.
    Nachdem Edda aus dem Bus gestiegen war, begann es zu regnen.
    Der Himmel wurde schwarz und ein schweres Gewitter kündigte sich an. Als der erste Blitz am Himmel erschien und es kurz danach krachte, betrat Edda den Hausflur. Sie rief nach Marie, doch niemand antwortete. Maries Mercedes stand auf seinem Platz. Vielleicht war Marie ja Blitze jagen. Diese herrlich verrückte Großmutter, dachte Edda. Sie kannte eine Stelle in der Mitte des Waldes, an der Blitze immer wieder in den Sandboden einschlugen. Marie hatte dort sogar eine Apparatur aufgebaut, mit der sie ihre geliebten „Himmelsboten“ anlockte.
    Edda rief noch einmal nach ihr, doch sie bekam keine Antwort. Marie musste tatsächlich beim Blitzejagen sein.
    Edda ging in die Stube, dann wieder in die Küche, wo das Feuer im Ofen brannte und eines von Maries Büchern noch aufgeschlagen lag. Maries Schuhe standen im Flur und ihre Jacke hing an ihrem Haken. Da, wo sie immer hing. War die Großmutter doch zu Hause? Edda schaute sich um.
    Aber keine Spur von Marie.
    Kein Geräusch.
    Keine Antwort.
    Seltsam. War sie in aller Eile aufgebrochen?
    Edda wurde nun doch wieder unruhig. Sie lief hinaus in den Garten. Der Sturm braute sich zusammen und die Wolken waren tiefschwarz, sodass es bestimmt eine ganze Weile regnen würde.
    Sie rief lauter. Doch von Marie war nichts zu sehen. Edda rannte wieder ins Haus. Warum war sie

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