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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Baale
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Republik selbst in vier Jahrzehnten Teilung zubilligen mochte. Was
     man bei Hans-Werner Sinn noch zwischen den Zeilen lesen musste, sprach der Hamburger Pensionär Klaus von Dohnanyi zu Beginn
     des Jahres 2004 öffentlich aus und erntete dafür im Westen der Republik tosenden Beifall. Die Sachverständigen hatten gerade
     wieder die Wachstumsprognosen nach unten korrigieren müssen, und es sah endgültig so aus, als könne der einstige Klassenprimus
     Deutschland nie wieder an seine alten Leistungen anknüpfen. Klaus von Dohnanyi lokalisierte die Gründe für den deutschen Leistungsabfall
     im Osten der Republik und sprach damit aus, wovon die meisten im alten Bundesgebiet lebenden Menschen ohnehin längst überzeugt
     waren. »Der ungebrochene innerdeutsche West-Ost-Transfer und andere Folgen der deutschen Vereinigung sind zu etwa zwei Dritteln
     für die heutige Wachstumsschwäche Deutschlands ursächlich.« Klaus von Dohnanyi war ein intimer Kenner des ostdeutschen Problems,
     als einer der führenden Treuhandberater hatte er tatkräftig daran mitgewirkt. Aber jetzt, da »die neuen Länder nach 1989 weitgehend
     entindustrialisiert wurden«, wollte es von Dohnanyi denen nicht so leicht machen, »die meinen, die alte Bundesrepublik setze
     heute nur einen Abstieg fort, der längst vor der Vereinigung eingesetzt habe«, denn »schließlich debattieren wir über Bevölkerungsentwicklung
     bis hin zu Renten und Arbeitslosigkeit nun schon 30 Jahre«. Seine Überlegungen gipfelten in der Forderung, die Transferzahlungen
     schnellstens zu verringern, sonst »lähmt der Osten den Westen immer mehr, und dieser verliert schließlich die hohe Wettbewerbsfähigkeit,
     die er heute noch hat«.
    |16| Folgerichtig nahm sich im Frühjahr 2004 auch das Nachrichtenmagazin ›Der Spiegel‹ des Themas an. Die Titelseite zeigte einen
     Baum, umschlungen von einem schwarzrotgoldenen Band, der von zwei Herren in Businessanzügen mit Gießkannen begossen wurde.
     Dennoch war die Krone vertrocknet. Über dem schwarzrotgoldenen Band stand: »1250 Milliarden Euro«, darunter: »Wofür?«, und
     zu Füßen der beiden Manager: »Wie aus dem Aufbau Ost der Absturz West wurde«. Im eigentlichen Text wurden die ›Spiegel‹-Autoren
     noch deutlicher. »Der Osten ist ein Landstrich mit weitgehend stillgelegter Wertschöpfung, der ohne ständigen Nachschub aus
     der westdeutschen Volkswirtschaft nicht lebensfähig wäre – zumindest nicht auf dem Niveau eines entwickelten Industrielandes.
     Das Bruttosozialprodukt pro Kopf nach Abzug der Netto-Transferleistungen der Ex-DDR liegt unter dem Niveau von Portugal. Selbst
     viele der Beschäftigten in der Ex-DDR, offiziell sechs Millionen, sind keine Beschäftigten im produktiven Sinne. Das Kapital
     ihres Arbeitsplatzes und oft auch das Geld für ihren Lohn wurden zuvor größtenteils im Westen verdient.« Mittlerweile addierten
     sich die Transferleistungen, »die durch die Kassenhydraulik des deutschen Sozialstaats Richtung Osten gepumpt werden, zu einer
     Billionenbilanz. So werden jährlich rund 90 Milliarden Euro aus dem produktiven Kern der westdeutschen Volkswirtschaft entnommen
     – um im Osten weitgehend wirkungslos zu verglühen.« Die ›Spiegel‹-Autoren recherchierten haarsträubende Beispiele, wie die
     Transfergelder, »die der Westen längst aus der eigenen Substanz begleichen muss«, sinnlos verpulvert wurden. »Die Aufbau-Ost-Milliarden
     sorgen bei Besuchern aus dem Westen immer wieder für Aufsehen: Am Strand des Badeortes Kühlungsborn tragen heute alle Toilettenhäuschen
     ein Reetdach. In Dresden wandeln Kunden der Bahn über granitbelegte Bahnsteige. In Cottbus gibt es eine beheizte Bahnhofshalle.«
    Kein Zweifel, bei den ›Spiegel‹-Autoren, bei Klaus von Dohnanyi und bei Hans-Werner Sinn überwog die Enttäuschung, wobei ›Der
     Spiegel‹ noch eine ganz persönliche Kränkung zu verwinden hatte, denn im Osten der Republik erreichte »DIE NR.1« nie einen
     nennenswerten Leserkreis. All die journalistischen Recherchen |17| und wissenschaftlichen Analysen zeigten eine tief sitzende Sehnsucht nach der alten Bundesrepublik. Aus westlicher Sicht war
     der deutsche Einigungsprozess ein kaum vorstellbares Verlustgeschäft. Nach einer beispiellosen Zerstörung von nahezu allem,
     was sich im deutschen Osten in viereinhalb Jahrzehnten Teilung an Eigenständigem herausbilden konnte und nach dem nur in Teilen
     geglückten wirtschaftlichen Neuanfang, begann nun das Jahrzehnt

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