Abbau Ost
Immobilien eingesetzt werden können.
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Ein Vorgriff auf künftige Privatisierungserlöse
Das erste, unter Ministerpräsident Hans Modrow verabschiedete Treuhandgesetz war schon bald Folklore. Am 17. Juni 1990, zwei
Wochen vor der D-Mark-Umstellung, verabschiedete die Beitrittsvolkskammer |85| ein neues Treuhandgesetz. Das »Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens« trug die Handschrift
der Bonner Ministerialbürokratie. Es handelte sich um eine sehr einseitige, westdeutsche Sichtweise auf das Volkseigentum
und dessen künftige Verwendung. Das Volksvermögen wurde kurzerhand zu Staatsbesitz erklärt, und zwar nicht etwa allein den
Ostdeutschen zustehendem, sondern gesamtdeutschem Staatseigentum. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch zwei deutsche Staaten
gab, hatten die 16,5 Millionen DDR-Bürger ihr Vermögen bereits dem wiedervereinigten Deutschland überschrieben und mit 62,7
Millionen Bundesbürgern geteilt. Über diese äußerst sensible Tatsache war nie gesprochen worden. Im Falle des Beitritts, nichts
anderes sagte dieses Gesetz, würde ehemaligen DDR-Bürgern am Volksvermögen nicht mehr Rechte zustehen als jedem anderen deutschen
Staatsbürger. Man mag unterschiedlich dazu stehen und in Zweifel ziehen, ob dies völkerrechtlich überhaupt vertretbar war
und in letzter Konsequenz auf eine Enteignung der DDR-Bürger hinauslief. Fest steht zumindest, dass es die Verantwortlichen
in Bonn waren, die an den Fäden zogen und ihre Marionetten in der DDR-Volkskammer bewegten.
Die entscheidende Maßgabe des ursprünglichen Gesetzestextes: »Die Treuhandanstalt übt keine wirtschaftsleitenden Funktionen
aus«, tauchte in dem neuen Gesetz nicht mehr auf. Jetzt diente die »Anstalt öffentlichen Rechts der Privatisierung und Verwertung
volkseigenen Vermögens«. Auf einmal war davon die Rede, »zur Verbesserung der Ertragslage von Unternehmen sowie für Sanierungsprogramme
in geeigneten Fällen externe Berater heranzuziehen«. Der gesamte Gesetzestext war durchdrungen von dem Anspruch, dass nicht
etwa die betroffenen Unternehmen selbst, sondern eine staatliche Behörde zur Sanierung der ostdeutschen Wirtschaft antrat,
»indem sie insbesondere auf die Entwicklung sanierungsfähiger Betriebe zu wettbewerbsfähigen Unternehmen und deren Privatisierung
Einfluss nimmt«. Nun konnte die Treuhandanstalt sogar »im Vorgriff auf künftige Privatisierungserlöse zu Sanierungszwecken
Kredite aufnehmen und Schuldverschreibungen begeben«. Und während im Treuhandgesetz |86| der Modrow-Regierung beim Verkauf von Aktien und Geschäftsanteilen »im Falle der Veränderung der Beherrschungsverhältnisse
die Zustimmung der zuständigen Volksvertretung erforderlich« war, befreite das neue Gesetz die Anstalt von einer derartigen
parlamentarischen Kontrolle und gewährte den Behördenmitarbeitern freie Hand bei der »Privatisierung durch Veräußerung von
Geschäftsanteilen oder Vermögensanteilen«, und bei der »Stilllegung und Verwertung des Vermögens von nicht sanierungsfähigen
Unternehmen oder Unternehmensteilen«.
Ein »verbrieftes Anteilsrecht am volkseigenen Vermögen«, das »den Sparern zu einem späteren Zeitpunkt eingeräumt werden kann«,
fand in dem neuen Treuhandgesetz zwar noch Erwähnung, allerdings wurden die Noch-DDR-Bürger jetzt erst an dritter Stelle bedacht,
nach der »vorrangigen Nutzung für die Strukturanpassung der Wirtschaft« und der »Sanierung des Staatshaushaltes«.
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Anteilsscheine
Auch wenn die Vorstellung, die ehemaligen DDR-Bürger könnten Anteilsscheine an ihrem Vermögen erhalten, etwas für sich hatte,
so rechneten wohl die wenigsten damit, dass sie schon bald eine Vermögensurkunde in den Händen halten würden, die ihnen einen
Anteil am Volkseigentum von möglicherweise einigen tausend D-Mark bescheinigte. Ehemalige DDR-Bürger, das haben ihnen soziologische
Untersuchungen immer wieder bescheinigt, sind vor allem Realisten. Diese Anteilsscheine waren auch gar nicht der Punkt, schließlich
hätte es genügt, wenn die viel beschworene Transformation der ostdeutschen Staatswirtschaft in marktwirtschaftliche Verhältnisse
so verlaufen wäre, dass die DDR-Bürger am Ende des Transformationsprozesses zumindest Arbeit gehabt hätten. Das Problem war
doch wohl, dass ausgerechnet die Bundesrepublik, die selbst unter einer aufgeblähten Staatswirtschaft litt, die ostdeutsche
Industrie in die
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