Abbau Ost
Anzug. Bürgermeister
Gulbis erhöhte seinerseits um 500 Euro, und schon gab auch dieser Herr ein neues Gebot ab. Und so ging das immer weiter, das
Gebot lag schon bei 49 000 Euro, der Bürgermeister erhöhte auf 49 500, und dann blieb es plötzlich still im Saal.
»Noch Gebote?«, fragte der Auktionator und schaute hinüber zum Platz, auf dem eben noch der beleibte Herr in dem dunklen Anzug
gesessen hatte. »Ach«, sagte der Auktionator etwas verwirrt, »der Herr ist ja weg.« Die Gemeinde Rerik bekam den Zuschlag
für ihren eigenen Küstenwald. Der Bürgermeister ging nach vorn, um die Formalitäten abzuwickeln. Iris-Maria Mazewitsch stand
auf und sah sich im Saal um. Wer war dieser Herr in dem |83| dunklen Anzug? Warum wollte er den Küstenwald ersteigern und was hatte er damit vor? Sie lief noch schnell zur Tür und schaute
über den Parkplatz. Aber der Mann war schon verschwunden.
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Die Wahrung des Volksvermögens
Ich meine, dass die ganze Treuhandpolitik ein Skandal war, der im
Wesentlichen durch den Missgriff der Währungsumstellung bestimmt
war: sie hat die Wirtschaft in der früheren DDR, in den
neuen Ländern, endgültig ruiniert. Es war meines Erachtens eine
vorsätzliche Deindustrialisierung zugunsten der westdeutschen Industrie
, deren Manager wesentlich in den Vorständen und in der
Treuhandanstalt mitwirken durften.
Karl Albrecht Schachtschneider, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Nürnberg-Erlangen
Am 1. März 1990 gründete die »Regierung der Nationalen Verantwortung« unter Ministerpräsident Hans Modrow die »Anstalt zur
treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums«. Mit Blick auf den sich damals schon abzeichnenden Beitritt der DDR zur Bundesrepublik
musste schnellstens eine praktikable Regelung für das Volksvermögen gefunden werden. Die Gründung einer Treuhandanstalt sei
notwendig gewesen, hieß es in den damaligen Regierungsaussagen, weil es den Begriff des Volkseigentums im Bürgerlichen Gesetzbuch
der Bundesrepublik nicht gebe. Zugleich verabschiedete die Volkskammer die »Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten,
Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften«, nach der die Betriebe »in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH) oder in eine Aktiengesellschaft (AG)« umgewandelt werden sollten. Nach den Vorstellungen der Modrow-Regierung sollte
diese Treuhandanstalt die Wertpapiere emittieren und verwalten. Bei Gründungen von GmbHs sollte sie die Aufsicht über deren
Geschäftsanteile führen. Der Verkauf von Geschäftsanteilen und Aktien, hieß es in dem DDR-Treuhandgesetz, »ist zulässig«,
allerdings war »im Falle der Veränderung der Beherrschungsverhältnisse die Zustimmung der |84| zuständigen Volksvertretung erforderlich«. Der Grundgedanke dieses Gesetzes war »die Wahrung des Volkseigentums«. Die DDR-Bürger
sollten zu Aktionären und Mitgesellschaftern gemacht werden. Gedacht war zudem an eine kleine, dezentral organisierte Behörde.
Die DDR-Regierung war davon ausgegangen, dass diese Aufgaben von 150 Juristen bewältigt werden können. »Die Treuhandanstalt«,
hieß es in dem ursprünglichen Treuhandgesetz, »übt keine wirtschaftsleitenden Funktionen aus.« Die Volkseigenen Betriebe sollten
mit der Umwandlung in Kapitalgesellschaften und GmbHs vom Gängelband der sozialistischen Planwirtschaft befreit und dem Wettbewerb
ausgesetzt werden. Sie sollten, wenn man so möchte, sich selbst überlassen werden, ihr unternehmerisches Potenzial unter Beweis
stellen oder von der Bildfläche verschwinden. Das Gewinnmotiv und nicht Planerfüllung sollte fortan die Unternehmen leiten
und über ihr Fortkommen oder ihren Konkurs entscheiden.
Die Modrow-Regierung hatte das Volkseigentum nie als Staatsbesitz begriffen, der verkauft und dessen Erlöse in die Staatskasse
geleitet werden konnte. Allein das volkseigene Industrievermögen wurde zum damaligen Zeitpunkt auf 650 Milliarden D-Mark,
etwa 40 000 D-Mark für jeden DDR-Bürger geschätzt. Es war angedacht, den Bürgern 25 bis 30 Prozent des Industrievermögens
in Form von Anteilsscheinen oder Anrechten zur Verfügung zu stellen, um so tatsächlich Volksvermögen zu schaffen und den DDR-Bürgern,
die während der deutschen Teilung kaum nennenswerten Besitz erwerben konnten, etwas zukommen zu lassen. Diese Anteilsscheine
sollten nicht unmittelbar in Geld umgewandelt, wohl aber für den Erwerb von
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