Abbild des Todes
anhaben?”
“Willkommen im 21. Jahrhundert.”
Zoe suchte etwas in ihrer Tasche. “Ich muss das alles aufschreiben.”
“Warum wartest du damit nicht, bis wir mit Art gesprochen haben? Er möchte gerne einen Blick auf die E-Mail werfen. Wir können jetzt gleich zu ihm fahren.”
“Das ist gut, aber ich muss es trotzdem aufschreiben, bevor ich es vergesse. Ich kann es vielleicht für meinen Comic gebrauchen. Hast du einen Stift?”
Joe klopfte seine Taschen ab. “Guck mal im Handschuhfach nach.”
Sie öffnete das schmale Fach vor sich und griff suchend hinein. “Wie findest du darin überhaupt etwas wieder?” Sie holte eine Sonnenbrille, eine alte Johnny-Cash-Kassette, ein paar Handschellen und eine Packung Taschentücher hervor. Und noch etwas anderes.
“Ganz hinten muss ein Stift sein”, sagte Joe.
Aber Zoe hörte ihm schon nicht mehr zu. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an, als sie auf etwas starrte, das sie als Letztes hervorgeholt hatte – einen kleinen Plastikbeutel mit fünf goldenen, in Folie eingewickelten Stückchen mit dem Schriftzug
Nougat de Montélimar
auf der Verpackung.
43. KAPITEL
“W o hast du die her?” Joe warf einen Blick auf die Tüte, während er aus dem Parkplatz ausscherte. “Aus irgendeinem Supermarkt. Bedien dich ruhig, wenn …”
“Halt den Wagen an, Joe.”
Er drehte sich zu ihr um. “Was?”
“Du sollst anhalten!”
Der Befehlston ihrer Stimme hatte Erfolg. Joe stieg hart in die Bremsen. Er war feinfühlig genug, um zu bemerken, dass, was auch immer gerade passierte, etwas mit dem Plastikbeutel auf ihrem Schoß zu tun hatte. Wortlos blickte er ihr in die Augen.
“Dieses Konfekt wird nicht in Supermärkten verkauft”, sagte Zoe. “Tatsächlich ist es nur über die Website eines Unternehmens erhältlich, das es aus Frankreich importiert.”
Sein Gesicht wurde so grau wie der Himmel über ihnen, doch er bot ihr keine Erklärung an.
“Man nennt es Nougat”, fuhr Zoe fort. Ihr Herz schlug so heftig, dass sie sich fragte, ob er es hören konnte. “Schmeckt nicht jedem. Ehrlich gesagt, kenne ich nur eine Person, die es so sehr liebte, dass sie immer einen kleinen Beutel davon mit sich herumtrug.”
Joes Adamsapfel hüpfte auf und nieder. Er hatte immer noch nichts gesagt, um den furchtbaren Gedanken, der ihr in den Kopf gekommen war, zu verscheuchen.
“Mein Gott.” Instinktiv zog sie sich von ihm zurück. “
Du
warst es. Du bist es die ganze Zeit gewesen.”
Auch wenn er immer noch so aussah wie der gute alte Joe, hatte sich etwas an ihm verändert. Der Anflug von Panik in seinem Blick war unübersehbar. Sie hatte ihn unvorbereitet erwischt, zwang ihn, übereilt nachzudenken und vielleicht sogar etwas zu tun, das er nicht vorgehabt hatte. Dem akribischen Planer in ihm gefiel das gar nicht.
“Du bist Lolas mysteriöser Liebhaber.”
Endlich sprach er, doch er musste sich zweimal räuspern, um seine Stimme zu klären, bevor er die Worte aussprechen konnte. “Gib mir eine Chance, es dir zu erklären.”
Er leugnete es nicht. Genau wie bei E.J. wartete sie auf ein Dementi, das jedoch nicht kam.
“Nun schau nicht so verängstigt”, sagte er sanft. “Ich werde dir nicht wehtun.”
Das war gelogen. Er würde tun, was er tun musste, um zu überleben. “Hast du Lola umgebracht? Keine Spielchen, Joe. Nur ein einfaches Ja oder Nein.”
In seinen dunklen Augen passierte so viel, dass sie es kaum ertragen konnte. Der Anflug von Panik wurde von Angst verdrängt, dann von Bedauern und schließlich von Trauer.
“Ja.”
Lola war tot. Zoe fühlte einen tiefen Schmerz, als ob sie eine enge Freundin verloren hätte. Joe beobachtete sie immer noch. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Zoe Angst. Sie saß neben einem Mörder.
“Wirst du mir zuhören?”, fragte er.
Sie wollte nicht zuhören. Sie wollte so weit weg von ihm wie nur möglich sein.
Ohne ihren Blick von ihm zu wenden, griff sie hinter sich zum Türöffner.
Der Klick, mit dem alle vier Türen verschlossen wurden, ließ sie aufschrecken. Sie saß in der Falle. In Zivilfahrzeugen genau wie in Polizeiwagen war der Türschließmechanismus auf der Fahrerseite unerreichbar für alle anderen Insassen.
“Ich möchte nur reden”, sagte er leise.
Sie sah sich um. Auch wenn es immer noch mitten am Tag war, hatte der Regen die Passanten vertrieben. Die wenigen Fußgänger, die sie auf den Bürgersteigen entlanghasten sah, hielten die Köpfe gegen den Wind und Regen gesenkt und achteten
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