Abbild des Todes
stark.
Durch ihre halb geschlossenen Lider sah sie die Straßenlampe über sich, aber ihr Schein begann langsam zu verschwimmen. Als alle ihre Hoffnungen schwanden, hörte sie etwas – ein leises Rascheln. Das Geräusch kam von dem Müllcontainer neben ihr. Da war jemand!
Sie blickte in die Richtung, ihre Lippen formten die Worte, doch sie hatte nicht mehr die Kraft, sie auszusprechen: “Hilf … mir. Bitte … hilf … mir.”
1. KAPITEL
“G ib’s mir zurück, du mieses, nichtsnutziges Stück!” Fluchend versuchte Zoe Foster, den Absatz ihres teuersten schwarzen Pumps aus dem Gitterrost im Bürgersteig zu befreien. Verärgert, weil ihre verzweifelten Versuche ins Nichts führten, zog sie mit aller Kraft – und stöhnte auf, als sie schließlich zwar den Schuh in der Hand hielt, der Absatz aber immer noch feststeckte.
“Diese Dinger sollten auf Bürgersteigen verboten werden.” Grummelnd ließ sie sich auf alle viere nieder und rüttelte an dem abgebrochenen Absatz. Nach ungefähr einer Minute hatte sie es geschafft, doch schön war das, was sie nun in den Händen hielt, wahrlich nicht mehr. Der schwarze Samt hing in Fetzen herunter, und im Holz klaffte eine tiefe Scharte.
Zoe steckte den ramponierten Absatz in ihre Handtasche und humpelte zur Bordsteinkante, wo sie ihren Arm hob, um ein Taxi anzuhalten, das in diesem Moment die Straße entlangkam.
Obwohl es leer war, fuhr das Taxi einfach an ihr vorbei – nicht ohne sie dabei von oben bis unten mit Schneematsch zu besprühen. Konnte es noch schlimmer kommen? “Hey”, rief sie dem verschwindenden Auto hinterher. “Haben Sie schon mal was von Straßenetikette gehört?”
In der Hoffnung, ein anderes Taxi zu entdecken, blickte sie die First Avenue auf und ab und seufzte. Wem wollte sie etwas vormachen? Bei diesem Wetter und um diese Uhrzeit waren ihre Chancen, ein Taxi zu erwischen, gleich null. Sie hätte E.J.s Angebot, sie mit seiner Limousine nach Hause zu fahren, annehmen sollen. Ihr Boss hatte den Wagen allen zur Verfügung gestellt, denen es nichts ausmachte zu warten, bis die Weihnachtsfeier zu Ende war. Einige hatten das Angebot angenommen, doch Zoe, die seit Tagesanbruch an ihrem neuen Comic arbeitete, hatte sich entschieden, früher zu gehen, um zu Hause noch ein bisschen zu zeichnen.
Sie schlug den Kragen ihres weißen Mantels hoch und machte sich – wegen des fehlenden Absatzes etwas unsicher auf den Beinen – auf den Weg zur Houston Street, wo die Chancen auf eine Mitfahrgelegenheit deutlich besser standen. Als sie die Gasse neben dem
Herald Building
passierte, bemerkte sie aus den Augenwinkeln ein Funkeln.
Sie drehte ihren Kopf und schnappte nach Luft.
Eine Frau in einem langen schwarzen Mantel und mit schwarzen Stiefeln lag auf der Erde. Sie sah aus, als ob sie schliefe. Zoe eilte zu ihr und ließ sich neben ihr auf die Knie sinken. Die Frau war wunderschön, mit langem blondem Haar, das über ihre Schultern reichte, makelloser Haut und einem aufregenden roten Mund. Ihr linker Arm lag quer über ihrem Körper, und um das Handgelenk trug sie ein glänzendes goldenes Armband – das Glitzern, das Zoe gesehen hatte.
“Miss?” Zoe berührte die Frau an der Schulter. “Sie sollten hier nicht schlafen.” Als sie keine Antwort erhielt, rüttelte sie sie sanft. “Miss, sind Sie verletzt? Können Sie mich hören?”
Die Frau rührte sich nicht. Von einer schrecklichen Vorahnung erfüllt, schob Zoe zwei Finger unter den Schal der Frau, um den Puls zu fühlen. Doch da war kein Puls mehr!
Sie wollte nach ihrem Handy greifen, als ihr einfiel, dass es nicht in ihre kleine Abendhandtasche gepasst und sie es deshalb zu Hause gelassen hatte.
Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Zoe sprang auf, rannte den Weg zurück, den sie gekommen war, und stürmte in die Lobby des
Herald.
“Aaron, schnell!”, rief sie dem Wachmann zu, als er aufblickte. “Ruf 9-1-1. Da liegt eine tote Frau in der Seitenstraße.”
Erschrocken hob Aaron seine dichten weißen Augenbrauen, verschwendete jedoch keine Zeit mit unnötigen Fragen und griff sofort zum Telefon. Während er mit der Polizei sprach, nahm Zoe sein Handy, das wie immer auf dem Tresen lag, und wählte die Nummer des
Herald
, auch wenn sie sich nicht sicher war, dass irgendjemand abnehmen würde. Beim siebten Klingeln ging Eddy, der interne Postbote, ran. Er musste schreien, um den fröhlichen Partylärm im Hintergrund zu übertönen.
“
The Herald.
Frohe Weihnachten!”
“Eddy, hier ist Zoe
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