Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
lenken. Vielleicht können wir etwas anderes versuchen.«
Milo nickte und schaute auf die Kassette. »Ja, vielleicht sollten wir erst mal über eure Sitzung sprechen. Du hast Cathy gesagt, sie solle vor ihrem Vorstellungsgespräch zum Supermarkt fahren. Wir wissen, dass sie den Rat in den Wind geschlagen hat, weil wir in ihrer Tasche die Quittung für eine Maniküre gefunden haben, und die aufgedruckte Uhrzeit belegt, dass sie eine Stunde nach eurer Sitzung dort gewesen ist. Sie war also heute Abend zur falschen Zeit am falschen Ort. Mir scheint, dass deine Äußerungen während der Sitzung, die ihr unverständlich erschienen, eine begründete Warnung waren. Zum Beispiel die Kopfschmerzen: Du hast gesagt, sie werde deswegen einen Arzt konsultieren. Der Täter hat ihr mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Zurzeit liegt sie bewusstlos im Krankenhaus, wird also von einem Arzt wegen ihrer Kopfschmerzen behandelt.«
Ich nickte und war erst einmal sprachlos, wie genau die empfangene Botschaft plötzlich zutraf.
Milo redete weiter. »Leider können sich die meisten Opfer mit solch einer Verletzung hinterher nicht mehr an den Überfall erinnern. Cathys Arzt hat gerade angerufen. Zum Glück sind die Kollegen rechtzeitig bei ihr gewesen; sie ist bewusstlos, aber nicht im Koma, und im Augenblick glaubt der Arzt, dass eine Operation nicht nötig sein wird. Er sagt, die übrigen Verletzungen würden schnell verheilen und er sei vorsichtig optimistisch hinsichtlich ihres Zustands. In ein paar Wochen sollte sie wieder auf den Beinen sein. Sobald sie zu sich kommt, werden wir sehen, ob sie sich an etwas erinnern kann. Wenn du an den Namen des Täters nicht herankommst, könntest du vielleicht etwas Einfacheres probieren, zum Beispiel, womit er sie niedergeschlagen hat.«
Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. Ich war wirklich bereit, Milo zu helfen, aber es kostete mich Überwindung. Einer Gewalttat nachzuspüren ist ein bisschen wie im Müll zu wühlen: Man kommt mit stinkenden, widerlichen Dingen in Berührung, tut es nur widerwillig und sehnt sich nach einer Dusche. Angewidert runzelte ich die Stirn, wappnete mich, dann schloss ich die Augen, um mich zu konzentrieren, und sagte mir, ich täte das zum Wohl der Allgemeinheit. Als Erstes richtete ich meine Gedanken auf die Waffe. »Aha, sie zeigen mir einen Autoreifen oder vielmehr einen platten Reifen. Ich glaube nicht, dass er sie mit einem Reifen umgehauen hat...«
»Nein, aber man braucht einen Montierhebel zum Reifenwechsel«, warf Milo ein, der zwei und zwei zusammenzählte.
Ich riss die Augen auf und lächelte ihn an. »Ja, das leuchtet irgendwie ein, hm? Demnach ist ein Montierhebel die wahrscheinlichste Waffe. Wurde am Tatort keiner gefunden?«
»Die Spurensicherung ist mit dem Gelände noch nicht fertig, aber ich glaube nicht, dass sie einen finden werden.«
Ich nickte, dann machte ich die Augen wieder zu. »Gut, frag mich etwas anderes.«
»Was kannst du mir über den Täter sagen?«
Ich konzentrierte mich und einen Moment später sagte ich: »Ich habe den Eindruck, er ist ein richtiges Dreckschwein. Mir scheint, das ist nicht seine erste Vergewaltigung ...«
Ich hielt inne und verfolgte den Gedanken weiter. »Ja, das ist eindeutig nicht sein erstes Mal. Habt ihr nicht vielleicht schon von ähnlichen Überfällen gehört?« Ich hörte Milo energisch schreiben. Er sagte nur kurz Ja und wartete auf meinen nächsten Hinweis.
»Dann bin ich auf der richtigen Fährte«, stellte ich fest. »Er ist also ein Wiederholungstäter. Er scheint zu glauben, dass er immer ungeschoren davonkommt. Es gibt eine Verbindung nach Vegas.«
»Las Vegas, Nevada?«
»Ja, ich sehe immer wieder Vegas vor mir. Vielleicht ist er häufig dort oder hat dort auch schon jemanden vergewaltigt. Er könnte auch spielsüchtig sein. Ich sehe viele Spielautomaten und die bunte Beleuchtung der Kasinos. Er hat also entweder eine persönliche Verbindung zu der Stadt oder er ist ein Spieler. Du solltest dich bei den Kollegen erkundigen, ob dort Frauen überfallen wurden. Außerdem ist er sehr auf die Zeit fixiert, hält sich vielleicht an einen genauen Zeitplan oder ist sehr routineverhaftet ...«
»Aha.« Schnelles Gekritzel.
»Er scheint dunkle Haare und dunkle Augen zu haben. Nein, mehr als das. Er ist kein Weißer. Vielleicht ein Latino oder so. Er hat dunkle Haut...«
»Afroamerikaner?«, fragte Milo.
»Nein, kein Afroamerikaner«, sagte ich. »Eher Südeuropäer oder
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