Abby Cooper 02 - Moerderische Visionen
Lateinamerikaner. Er ist groß und es würde mich nicht überraschen, wenn er sehr gut aussieht. Meinem Eindruck nach ist er glatt rasiert und sehr gepflegt. Er scheint Geld zu haben, vielleicht durch Spielgewinne.«
»Verstanden.«
»Und er fährt Ski. Ich weiß nicht, welche Bedeutung das haben soll, aber es gibt eine starke Beziehung zum Skifahren.«
»Er betreibt das als Sport?«
»Ja ... oder er hat beruflich damit zu tun. Das wird nicht so ganz deutlich, aber ich höre immer wieder Ski. Ein starker Hinweis, mit dem ich aber nichts anfangen kann.«
»Kannst du mir sagen, wo er Ski fährt?«
Ich richtete all meine Kräfte auf diese Fährte. Immer wieder sah ich ein Paar Ski, aber die Verbindung zum Täter war sonderbar. Ich war zwar nah dran zu begreifen, was meine Crew mir sagen wollte, kam aber nicht ganz drauf.
»Tut mir leid, Milo, ich versteh’s nicht. Sie wollen nicht deutlicher werden oder ich habe es falsch interpretiert.«
»Ist in Ordnung. Kannst du mir sagen, wo er sich gewöhnlich aufhält?«
»In Vegas.«
»Nur in Vegas? Und was ist mit unserer Gegend hier?«
»Darüber erhalte ich keine Botschaften, ich sehe nur die Straßen von Vegas. Und immer wieder Spielautomaten. Vielleicht stammt er sogar von dort.«
»Kannst du mir sonst noch etwas sagen?«
»Mit den Frauen hat es etwas Bestimmtes auf sich. Sie scheinen irgendwie ein Bild zu repräsentieren. Es gibt starke Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Taten - entweder sehen sich die Frauen ähnlich oder der Tatort ist immer der gleiche. Cathy wurde neben einem Müllcontainer gefunden. Das ist bezeichnend, denn er hält Frauen für wertlos. Der Umgang mit Frauen ist für ihn wie Müll rausbringen ...« In dem Moment war ich nah dran, mit der Energie dieses Mannes in Berührung zu kommen, und wurde körperlich abgewehrt. Ich riss die Augen auf und schauderte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Milo.
Ich nickte und griff nach dem Wasserbecher. Das war mir alles zuwider und ich wollte aufhören. Milo sah mich verständnisvoll an und legte den Kuli hin.
»Du hast genug?«
»Mehr als genug«, sagte ich leise.
»Gut, dann hören wir auf. Ich sag dir trotzdem, dass du den Nagel auf den Kopf getroffen hast. Es hat in Royal Oak zwei Vergewaltigungen gegeben, beide wurden an einem Donnerstag etwa um die gleiche Zeit verübt. Die beiden Opfer sehen Cathy so ähnlich, sie könnten Schwestern sein, und beide wurden bewusstlos geschlagen und in der Nähe von Müllcontainern gefunden. Ich werde bei den Kollegen in Vegas anrufen und mal nachhören, ob sie eine Spur für uns haben.«
»Haben die anderen beiden Opfer dir etwas sagen können?«, fragte ich.
»Nein. Die eine liegt noch im Koma und man weiß nicht, ob sie in nächster Zeit aufwachen wird. Sie hat nach dem Überfall lange unbemerkt dagelegen und wäre fast gestorben. Die andere Frau war drei Tage lang bewusstlos und kann sich an den Täter überhaupt nicht erinnern. Sie ist noch ziemlich traumatisiert. Wir warten erst mal ab, ob sie sich von allein an etwas erinnert, was uns weiterhelfen könnte.«
»Ihr solltet das an die Presse geben, Milo«, sagte ich ernst. »Die Frauen hier sollten gewarnt werden.«
Milo nickte und seufzte schwer. »Das mit der Presse ist immer ein zweischneidiges Schwert. Mit der Warnung hast du sicher recht, aber du weißt auch, wie die Nachrichtensender sein können. Sie bauschen solche Fälle unverhältnismäßig auf und danach wird uns jeder, der sich ein bisschen verdächtig benimmt, als Vergewaltiger gemeldet. Das Dezernat wird mit Hinweisen überschwemmt, die die personellen Kräfte binden, aber zu gar nichts führen. Bevor ich diese Karte ausspiele, will ich erst das Möglichste tun, um den Kerl zu schnappen.«
»Und das heißt?« Ich war neugierig, wie die Polizei jetzt weiter vorgehen würde.
»Wir klappern die Umgebung ab, ob jemand etwas gesehen hat, und vielleicht haben wir ja Glück. Wenn wir bis nächsten Mittwoch keinen Durchbruch erzielen, rufe ich die Medien an und setze die Öffentlichkeit in Kenntnis.«
Ich nickte müde. Mein Adrenalinrausch war vorbei und hatte träger Erschöpfung Platz gemacht. Milo schien das zu bemerken, denn er griff zum Telefon und rief den Streifenpolizisten an, der mich zu Hause abgeholt hatte. Dann kam er um den Schreibtisch herum und half mir mit einer Hand vom Stuhl hoch. »Komm, Mädchen, bringen wir dich wieder nach Hause in dein Bett. Du siehst ziemlich mitgenommen aus.«
»Mitgenommen ist gar kein Ausdruck«,
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