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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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Sie ging ihm regelmäßig bei der Essensausgabe zur Hand, schleppte das angeschimmelte Brot, den von Maden wimmelnden Zwieback oder den Kessel mit der meist schon lauwarmen Wassersuppe, einer Ekel erregenden Brühe. Dennoch stürzten sich die Gefangenen mit Gier darauf, denn man setzte ihnen nicht alle Tage etwas Warmes vor.
    Der flackernde Schein einer blakenden Fackel kam näher und fiel dann durch die vergitterte Tür in die Zelle. Ungeziefer huschte aus dem Licht, verkroch sich im feuchtmodrigen Stroh oder gesellte sich zu seinen Artgenossen, das sich schon in den Lumpen oder im Haar der Gefangenen eingenistet hatte.
    »Weg von der Tür!«, brüllte Putneys dunkle, voluminöse Stimme, die Abby jedes Mal an das Grollen eines gefährlichen Raubtiers denken ließ.
    Die Frauen ließen augenblicklich die Eisenstäbe los und wichen von der Tür zurück.
    Keine Sekunde zu spät.
    Ein armlanger Schlagstock, der bis auf das geriffelte Griffende eisenbeschlagen war, krachte mit brutaler Gewalt gegen die Gitterstäbe der Zellentür. Der scharfe, metallische Knall war wie ein ohrenbetäubender Pistolenschuss und hallte noch im nächsten Gefängnistrakt durch die kalten Gänge. Philip Putney, ein wahrer Bulle von einem Mann mit einem grobflächigen Gesicht und einem geteerten Haarzopf im Nacken, wusste sich Respekt zu verschaffen.
    »Zurück!«, befahl er, während er die Fackel in den Haltering an der Wand rammte, zum Schlüsselbund griff und aufsperrte.
    Es war still geworden in der Zelle. Der Wärter war ohne seine Frau. Damit war klar, dass er nicht gekommen war, um ihnen Wasser und Brot zu bringen. Sein Erscheinen musste einen besonderen Grund haben.
    Putney stieß die Tür auf. Sein massiger Körper füllte den Rahmen völlig aus. Er starrte in das Zwielicht des Kerkers, ließ seinen Blick über die Gesichter der Gefangenen wandern. Auf Abby Lynn blieb er liegen.
    »Du da!«, sagte er schroff und wies mit seinem Schlagstock auf sie. »Steh auf und komm her!«
    Abby fuhr erschrocken zusammen. Was wollte er von ihr?
    »Hast du nicht verstanden?«, brüllte Putney. »Du sollst herkommen!«
    Abby kam hastig auf die Beine, stieg über die Leiber der Mitgefangenen und näherte sich dem Wärter voller Angst, aber auch mit einem schwachen Funken neu erwachter Hoffnung.
    Hatte sich ihre Unschuld möglicherweise doch noch herausgestellt?
    »Brauchst du vielleicht ‘n neues Liebchen?«, höhnte eine der älteren Frauen.
    Der Wärter ging auf den Zuruf nicht ein. Er musterte Abby kurz und nicht gerade freundlich. Um so verwunderter war sie, als er den Frauen nun den barschen Befehl erteilte, ihr alles zurückzugeben, was sie ihr abgenommen hatten: Strümpfe, Schuhe und Schal.
    Erst erfolgte keine Reaktion. Teils trotziges, teils erwartungsvolles Schweigen breitete sich aus.
    »Her mit dem Zeugs!«, donnerte Putney und drohte ihnen: »Ich zähle bis fünf. Wenn die Kleine bis dahin ihre Sachen nicht wieder hat, kriegt ihr die nächsten Tage nichts zu fressen.
    Dann könnt ihr den Schimmel von den Wänden kratzen und euch den Bauch mit Stroh füllen!«
    »Fahr zur Hölle!«, verwünschte ihn das Mädchen mit den angeschwollenen Beinen.
    »Los, rückt die Klamotten raus!«, rief eine andere Gefangene mit schriller, aufgeregter Stimme. »Sonst geht es uns allen an den Kragen! Cathy … Lydia! Gebt die Sachen her. Wenn nicht, bekommt ihr es mit uns zu tun. Oder glaubt ihr, wir wollen euch zuliebe hungern?«
    Der Wärter begann zu zählen. »Eins … zwei … drei …«
    Abbys Schuhe flogen, begleitet von einer vulgären Verwünschung, durch den Kerker und knallten neben ihr an die Wand.
    »Vier …«
    Strümpfe und Schal landeten vor Abbys Füßen. Schnell nahm sie die Sachen an sich, wickelte sich den Schal um den Hals, zog die Strümpfe über und fuhr in die Schuhe. Es erschien ihr wie ein kostbares Geschenk, nun nicht mehr mit nackten Füßen über den kalten Boden laufen zu müssen. Und sie hatte ganz vergessen, wie warm der Schal doch hielt.
    Philip Putney trat zurück. »Komm mit!«, herrschte er sie an.
    Abby war geschwächt und wankte aus dem stinkenden Loch in den Gang. Die Zellentür fiel mit einem lauten, metallischen Dröhnen hinter ihr zu.
    Der Wärter schloss ab, nahm die Fackel aus dem Halter und versetzte Abby dann einen unerwarteten, schmerzhaften Stoß in den Rücken. Sie schrie auf, taumelte nach vorn und stürzte zu Boden.
    »So etwas machst du nicht noch mal, hast du mich verstanden?«, fuhr er sie ärgerlich an.

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