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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
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bittere Armut viel zu sehr zum normalen Straßenbild der Stadt: Männer, die sich selbst verstümmelten, um als Bettler ein wenig Mitgefühl zu erregen und so ihr Überleben zu sichern. Halbwüchsige, denen der baldige Tod durch Unterernährung und Krankheit im Gesicht geschrieben stand.
    Frauen, die in ihrer Not ihre Kinder schon mit sieben Jahren an die Besitzer von Bergwerken oder Spinnereien verkauften – wo sie zumeist auch starben. An Kälte, Hitze, ungenügender Ernährung, Peitschenschlägen und völliger Erschöpfung durch unmenschliche Schinderei.
    Abby seufzte. Ihre Lage war bedrückend, doch noch längst nicht hoffnungslos. Sie konnten immer noch das eine oder andere Kleidungsstück versetzen und einige Gerätschaften zum Pfandleiher bringen. Das Beste war, sie fing schon gleich damit an, wie schwer es ihr auch ankommen mochte. Sie würde Schal und Umhang versetzen. Viel würden die abgetragenen Sachen ja nicht bringen, und sie würde in der ungeheizten Dachkammer frieren, doch von dem Erlös würde sie einkaufen können.
    Außerdem: blieb ihr überhaupt eine andere Wahl? Sie mussten essen, brauchten Brot, und vielleicht reichte es sogar noch für etwas Tee.
    »Hoffentlich kommt der Frühling schnell«, dachte Abby. Sie wusste jedoch, dass die ersten warmen Tage noch lange auf sich warten lassen würden, und wünschte, sie hätte noch einen gewichtigen Grund, um den Gang zum Pfandleiher auf einen späteren Zeitpunkt verschieben zu können.
    Es gab keinen. Die Straße begann vor ihren Augen zu verschwimmen. Hastig und verstohlen wischte sie sich die Tränen aus den Augenwinkeln und blinzelte mehrmals. Eine Lynn weint nicht. Niemals. Das hatte ihre Mutter ihr immer und immer wieder eingeschärft.
    »Träume sind wie Wolken. Sie sind unnütz. Man lässt sie ziehen und hängt ihnen nicht nach. Und Weinen ist ein Zeichen von Schwäche«, pflegte sie voller Verachtung zu sagen, wenn sie Abby in einem Augenblick melancholischer Träumerei oder mit tränenschimmernden Augen überraschte. Und dann setzte sie gewöhnlich zu einer ihrer »erzieherischen Predigten« an. So nannte Margaret Lynn zumindest ihre Monologe, die sie mit kalter Unversöhnlichkeit vortrug.
    »Wer seine Schwäche preisgibt«, fuhr sie dann gewöhnlich fort, »wird in dieser Welt über kurz oder lang daran zu Grunde gehen. Nur Härte zählt und hindert deine Mitmenschen daran, dir an die Kehle zu gehen. Zeig keinem, was du denkst oder fühlst, und vertraue niemand! Wenn du dich daran hältst, wird dir das Leben so manch bittere Erfahrung ersparen. Hältst du dich jedoch nicht daran, wird es dir ergehen wie mir. Du wirst mehr verlieren, als du jemals zu besitzen geglaubt hast.
    Ja, höre mir nur gut zu, Abby! Das Leben ist grausam und nimmt auf die Schwachen, die Zaghaften und Glücklosen keine Rücksicht. Es geht über sie hinweg, drückt sie in den Dreck und vernichtet sie. So wie eine Feuersbrunst in einer Nacht ganze Städte in Schutt und Asche legt, so gnadenlos rafft das Leben die Schwächlinge dahin und die Verblendeten, denen die Gunst der Stunde einmal hold gewesen ist und die von nun an dem selbstzerstörerischen Wahn verfallen, das Glück für sich gepachtet zu haben.
    Nein, mein Kind. Die wirklich Glücklichen haben ihr Glück mit Härte, eiserner Willensstärke, Gerissenheit und zäher Ausdauer erkämpft – und sich niemals eine Blöße gegeben. Sie haben sich der Schwachen, der Zaghaften und der Glücklosen bedient. Ihre eigenen Schwächen haben sie so geschickt vor der Welt verborgen, wie man einen bösen Fluch aus seinem Leben zu verbannen sucht! Hast du mich verstanden, Abby? Statt Schwäche zu zeigen, musst du härter sein als die anderen!«
    Abby versuchte zu verstehen. Doch manches klang so fremd, so kalt und voller Argwohn, als wären sie allein und nur von Feinden umgeben. Sie wusste nicht, ob es richtig war, härter als die anderen zu sein und niemals zu weinen. Ihre Mutter lebte zumindest nach ihrer Überzeugung. Sie konnte sich nicht daran erinnern, sie auch nur einmal mit tränenfeuchten Augen, geschweige denn weinen gesehen zu haben.
    Deshalb schämte sie sich, wenn ihr manchmal nachts die Tränen kamen und sie nicht zu sagen vermochte, weshalb sie weinte, nur, dass sie sich hinterher leichter und irgendwie befreit fühlte. Sie hatte jedoch Angst, von ihrer Mutter dabei ertappt zu werden.
    Abby zwang sich, diesen trüben Gedanken nicht weiter nachzuhängen, und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das rege,

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