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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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in die sich, als man näher kam, auf schlanken Stangen Reklametafeln schoben. Es war eine weitere Raststätte, neu, nach westlichem Muster. Der Westen zog in zunehmendem Maße auch hier in die Steppe ein mit Markennamen in Neon. Erwartungsgemäß, als teile er die Erleichterung, begann der BMW zu blinken. Es war, wie man am Schimmer und den großen blauen Buchstaben erkennen konnte, die hinter Baumwipfel sichtbar wurden, eine Tankstelle mit Restauration. Nr. 56 hielt an einer der Zapfsäulen und steckte den Zapfhahn ins Loch. Es waren einige Wagen da, parkten, niemand sonst tankte gerade. Es gab hier übermüdete Menschen auf dem Weg vom Nirgendwo ins Irgendwo, die eine Tasse Kaffee oder Wodka tranken und auf das Tageslicht warteten, das ihre Erschöpfung linderte.
    Mehrere Transporter mit europäischen Kennzeichen standen im Karree auf einem Platz hinter der Tankstelle, durch einen Zaun von der Wildnis getrennt. Zek hielt unweit davon in einer Entfernung von fünfzig Metern von der Tankstelle an, im Dunkel und gut außerhalb des Aufzeichnungsbereichs der Überwachungskameras. Er hatte die Scheinwerfer schon vor einigen Minuten ausgeschaltet, würde also selbst dann, wenn es irgendwo eine Kamera gab, dieser keine Impulse geben. Als er die Tür öffnete, war er in Sekundenschnelle von einem Mückenschwarm umgeben. Es roch hier nach Schlamm, und der Boden schmatzte, als er außerhalb des Lichtkreises die Fahrbahnbegrenzung hochkletterte und im Dunkel über den Boden stolperte. Hier konnte er den Hosenschlitz aufmachen und pinkeln. Die Erleichterung war groß, und mit ihr kehrten die Gedanken zu kristallener Schärfe zurück. Auch seine Augen waren scharf genug, durch die Scheiben der Restauration zu blicken und dabei den Gesichtsausdruck der Nr. 56 zu sehen, als sie sich umsah wie jemand, der eine Verabredung hat. Sie war weit weg, aber man konnte in diesem Gesicht lesen. Er wusste nicht genau, was sie hier wollte, dachte er, aber sie bekam es nicht, und diese Tatsache machte sie wütend. Oder es war eine ähnliche Empfindung, Enttäuschung vielleicht. Was ihn wunderte: Es war der Gesichtsausdruck einer Frau, die von einem Geliebten versetzt worden ist, und das von Anfang an. Zuerst merkt man nichts davon, was in ihr los geht, aber es ist ein langer Prozess, der letztendlich in Falten mündet und einer Blässe und einem harten Zug um den Mund und die Augen und einen unangenehmen Charakter. Was einmal süß war, ist bitter geworden, was das genaue Gegenteil darstellt. Eine junge Frau und eine alte Frau sind Pole, dachte Zek, während er hinüber starrte in die Restauration hinein, wo die Frau nun allein an einem Tisch saß in ihrem Pelzmantel und etwas trank. Nr. 56. Sie war einmal die Favoritin des Herrn gewesen. Sie hat es früh gespürt, dass er sich von ihr abwandte, und ihre Maßnahmen getroffen. Der Geldkoffer, das war schon der Hammer. Es würde zu klären sein, wie sie ihre Finger an dieses ganze Geld bekommen hatte. Klar, nach so langer Zeit kannte sie alle Geheimnisse des Herrn. Man denkt sich, man gibt nichts preis, wenn man seinen Schwanz Tag für Tag, Monat für Monat in diese Frau hineinsteckt, aber es gibt diese tausende von Gesprächen, Andeutungen, Dinge, die so eine Frau mitkriegt, weil sie gerade da ist oder in der Nähe. Was der Herr wohl dabei empfand, von ihr auf diese Weise den Finger zu kriegen? Deshalb war es so merkwürdig, dass er Zek dieses alte Vehikel für die Verfolgungsjagd überlassen hatte. Der Hubschrauber wäre schneller gewesen. Und jedes andere Fahrzeug auf der "Farm" auch. Es konnte ein Witz sein, oder ein Test. Wahrscheinlich aber wollte er Nr. 56 die Chance geben, ihm zu entkommen. Obwohl sie ihn vorgeführt hatte wie einen Schuljungen. Es konnte seine Liebe sein oder sein Humor. Ja, der Herr war komisch. Zek konnte es direkt hören, das Kichern des Herrn, als Zek mit seiner Klapperkiste vom Hof gefahren war.
     
    Die Zeit verging, und Nr. 56 hatte sich nicht vom Fleck gerührt. Es waren vielleicht nur einige Minuten, aber ihm erschien es wie Stunden. Eben noch war sie wie der Teufel gefahren, und das länger als das ein Mensch aushält . Noch ein halber Tag, und man würde in Moskau sein. Und nun saß sie da und hatte offenbar alle Zeit der Welt. Er hätte gern auf die Uhr geschaut, weil er merkte, dass sein Zeitgefühl gestört war. Es kam ihm so vor, als würde die Zeit gefrieren. Ja, während die Sekunden sich dahin schleppten, war für Zek die Sachlage zunehmend klar: Sie

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