Abdruecker (Splattergeschichten)
nicht. Es war unwahrscheinlich, dass sie soweit ins Dunkel blicken konnte. Es war auch nicht wahrscheinlich, dass sie überhaupt wusste, dass sie verfolgt wurde. Da sah man sie schon in die Richtung der Lastwagenzüge kommen, ein hypnotisiertes Kaninchen im Blickfeld der Schlange. Nr. 56 kam, Zeks Herz schlug höher, beinahe direkt auf ihn zu. Er stand im Schatten des Trucks, und er war geräuschlos, so konnte er sie ohne Probleme in der Nebenzeile der Lastwägen mit ihren Absätzen klappern hören, wo sie auf Stein ging.
Seine Pistole hatte er gezogen. Auf weichen Sohlen umschlich er den Wagen. Ja. Sie hockte da, ein bekleidetes Bündel Fleisch mit gespreizten Beinen. Sie sagte irgendetwas, als sie ihn merkte, oder war das nur ein erschrecktes Einatmen? Sie erkannte ihn als Gefahr, und er sah sie erstmals ganz nah. Er hatte sie im Haus des Herrn mehrmals flüchtig gesehen, so dass er nicht einmal mehr mit Sicherheit hätte sagen können, dass sie wirklich die Frau war, die er einen Tag und eine Nacht lang verfolgt hatte. So würde es ihr auch gehen. Es gab zu viele Bodyguards dort auf der Farm. Und mit einem Erschrecken überlegte er seinerseits, ob ihm sein Gehirn einen Streich spielte. Vielleicht war sie eine andere Frau mit kurzen, grauen Haaren. Denn sie war nicht wirklich blond, schien ihm jetzt. Sie war eine alte Frau. Aber die Kleider stimmten. Das Geräusch ihrer Überraschung und ihres Schreckens erinnerte Zek an das Gurren einer Taube. Das mechanische Schnappen des Auswurfmechanismus der Pistole folgte unmittelbar darauf als Sektkorken-Plopp und scharfes, surrendes Peitschen des schallgedämpften Schusses, der Nr. 56 in den Kopf traf und ihn am Nacken hintenüber riss. Zek setzte der Bewegung dieses Hintenüberfallens nach, bereit zum Fangschuss, der dann nicht mehr notwendig war. Ihr Körper war widerstandslos, leblos, und warm. Die Luft dampfte von der Wärme dieses nicht mehr auf der Welt Seins, während Zek darüber nachdachte. Er schob seine Pistole hinten in den Gürtel, fasste der Leiche in die Manteltaschen, fand einen Autoschlüssel, ein Bündel Geldscheine. Er erhob sich und trat vor bis an den Rand des Blickschattens. Im Bereich der Tankstelle war alles still geblieben, nächtlich reglos, verschlafene Menschen saßen dort hinter Glas, es gab keine Bewegung.
Da ging das Licht an. Hoch über ihm, Laternen, die bis jetzt noch nicht gebrannt hatten. Der Tatort war hell erleuchtet. Zek drehte sich um, schaute ringsum, ertappt, musste das Gefühl von Panik niederkämpfen. Da war Niemand. Man sah keine Bewegung. Nur Lastzüge mit ihren Planen, die Erde, den Dreck. Wovon konnte die Beleuchtung aktiviert worden sein? War es ein Mensch, eine Zeitschaltuhr, die ihm jetzt das Gefühl des Ertappten gab? Ganz so wie in Kriminalfilmen, wenn ein Einbrecher plötzlich in der Helligkeit dasteht, da einer die Lampe angedreht hat. Zek war blitzschnell um die Ecke gebogen, zurück zur Toten, wo die Blutpfütze klar wie bei Tageslicht mit dem Urinfleck im Schlick einen Farbtupfen in das Graubraun setzten, sah man den glasigen Schleim des Gehirns im Knochenloch des Schädels, und davor weich gezeichnete Fußtritte auf der Erde, die schon zu verschwimmen begannen. Zek merkte, dass er keuchte, und er konnte eine Zeitlang nicht sagen, warum er jetzt hier stand wie jemand, den man verhaftet oder der plötzlich von einem Exekutionskommando umgeben ist. Es hatte mit dieser Spur im Dreck zu tun: Schlanke Tritte nackter Füße, die nach einem stummen Tanz um die Tötungsstelle in einer Linie ausliefen, die zu seinem Wagen hinführte. Was waren das für Füße? Waren es seine eigenen Schuhabdrücke, die sich im weichen Boden auflösten? Man konnte an Geister glauben, die hinter der Plane hervorkommen würden mit fremdem Frauengesicht, furchtsam, eingeschüchtert, angeekelt, verfroren, und einen Laut ausstoßen, der an ein Taubengurren erinnerte. Zek spürte das Metall der Waffe unter dem Gürtel zwischen den Gesäßbacken, als er zum BMW der Nr. 56 ging, um den Kofferraum zu öffnen. Sein Herz klopfte, als er hinter dem Sichtschutz der Lastzüge die Tote zwischen weiteren Lastwägen durch zum BMW schleppte, und die Leiche hineinwarf. Er kehrte mit der Decke, die er im BMW fand, zur Stelle mit dem Blutfleck zurück, um die Spuren zu verwischen. Als er Fußtritte hörte, warf er die Decke kurzerhand unter den nächsten Lastwagen und richtete sich auf. Vielleicht stand er da wie ein Ertappter, im Neonlicht. Vielleicht aber auch
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