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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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wartete auf jemanden. Vielleicht hatte hier jemand auf sie gewartet, hatte die Hoffnung bereits aufgegeben, war schon wieder gefahren. Nein, wenn man den Einsatz bedachte, den sie hier in die Schale geworfen hatte, konnte es nicht sein, dass der andere so schnell aufgab. Er würde auf sie lange warten, Wochen, vielleicht Monate. Wie stark war er, dieser Unbekannte? Wer konnte er sein? Ein Spion, ein Geschäftsmann, ein Liebhaber? Eine Organisation oder ein einzelner Mensch, der sich der Übermacht des Herrn entgegenstemmte? In jedem Fall war hier Zek in der Minderheit, wenn es diesen Unbekannten oder seine Leute gab. Wo saß er? Wenn er hier war, versuchte er erst die Lage zu peilen? Hatte er längst Zek mit Infrarot im Visier? Womöglich saß er in einem dieser Transporter, die auf dem Parkplatz standen, und dieser Transporter war nur eine Hülle, ein Einsatzzentrum für den Fall, dass man Nr. 56 folgte und eine Auseinandersetzung mit Waffen nötig wurde. Hatte sie Wirtschaftsgeheimnisse zu verraten, für die sich Westspione interessierten? Zek hatte keine Ahnung. Oder war es wirklich ein Liebhaber? Wenn es einer war, dann war es zugleich ein Verräter. Dann kam er von der Farm selbst. Fiel dem Herrn genauso in den Rücken wie Nr. 56. Wo wollte sie ihn denn sonst kennen gelernt haben, und wer wollte eine verhärmte Enddreißigerin, die ihren Herrn verließ? Vielleicht ein Verwandter, überlegte Zek. Ein Vater oder ein Bruder.
    Der Gedanke, dass ihm hier vielleicht aufgelauert wurde, war wie ein Insektenstich, der einen reflexartig zusammenzucken und auf die stechende, juckende Stelle schlagen lässt. Das wurde ihm bewusst, als ihn nun die Mücken verstärkt zu attackieren begannen. Wer hier im Freien stand, konnte das nicht lange aushalten, oder er würde an Mückenvergiftung sterben. Zek wollte nun nur mehr bloß eines: Seinen Auftrag erledigen und fahren, nichts mehr. Und so war es nun, da er unschlüssig im Dunkel stand und auf den Lichtkegel der Tankstelle starrte, und er unter Mückenstichen litt, spät geworden. Er wurde von allen Seiten gestochen, und durfte doch nicht danach klatschen, um nicht auf sich aufmerksam zu machen. Zek spähte in die Richtung der Tankstelle. Es waren fast nur Männer da, wenige Frauen, einige Kinder. Es herrschte dort offensichtlich eine Stimmung wie in einem Wartesaal, die Gäste hatten konsumiert und lehnten mit geschlossenen Augen da, um ein bisschen zu dösen vor der Weiterfahrt. Manche tranken, schwatzten, und niemand bediente. Nr. 56 gestikulierte an einem Tresen, drehte sich frustriert um. Es dauerte weitere fünf Minuten, eine Ewigkeit, während denen sie noch etwas trank. Offenbar fühlte sie sich hier wohl, hier war für sie schon der Westen. Dann zahlte sie endlich, verließ die Bar und stand eine Weile unschlüssig da. Zek sah aus zwanzig Metern Entfernung, wie sie sich neuerlich in die Richtung des Tresens umdrehte und überlegte.
    Ihren Wagen hatte sie in der Nähe der parkenden Lastwagen abgestellt. Zek hatte sich blitzschnell im Blickschatten der Lastwagen vorgearbeitet, die noch im dunklen Teil des Parkplatzes standen. Jetzt begriff er, was sie wollte. Die Olmosova hatte die neue Tankstelle gesehen und sich eine saubere Toilette erwartet. Deshalb war sie überhaupt hier stehengeblieben, und nun war ihr kein Schlüssel ausgehändigt worden, denn die Toilettenanlagen waren anscheinend geschlossen oder kaputt. Zek lächelte. Es gab hier in der Gegend von der Tankstelle abgesehen nichts als dieses Karree von Transportern, die hier zwischen Europa und China Zwischenstopp eingelegt hatte. Sie waren der einzige Blickschutz, und wenn die Olmosova ins Dunkel wollte, um ihre Blase zu leeren, dann hier. Also musste sie auf ihn zukommen, denn hier war der nächste Sichtschutz.
    Es würden von allem nur Spuren im Schlamm bleiben, und die waren weich. Er sah auf die Uhr. Es war vier Uhr vierunddreißig und es war da der Schimmer der Dämmerung. Wenn man hier im Dunkeln stand, sah man schon Schatten und Umrisse. Wer aber gerade aus der Helligkeit trat, für den musste alles schwarz sein, was nicht der Himmel war. Noch traute sie sich nicht, den Schutz der Helligkeit zu verlassen. Sie stand da reglos im Dunkel vor dem Gebäude. Sie sah sich noch einmal um, sichtlich überreizt. Sie hatte lange nicht geschlafen, sie war lange gefahren, aber Hygiene schien ihr wichtig zu sein. Sie spähte in die Richtung, wo er seinen Wagen abgestellt hatte, mochte sich etwas dabei denken oder

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