Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
Vom Netzwerk:
Liegestuhl. Man kann vor hier aus das Meer sehen. Es ist ein Dunst am den Horizont über dem Wasser. Nach Sonnenuntergang wird die Luft zwischen den Hotelbauten tiefer, und das Meer färbt sich dunkler und dunkler blau ein. Wir haben uns in Decken eingemummt und schweigen, bis uns der schärfere Wind in das Haus treibt. Wir gehen in mein Zimmer, weil es höher liegt als das ihre. Hier ist der Himmel ganz nah. Wir liegen auf dem Bett und halten uns an der Hand.
    „ Wie ist das, wenn man nachts über die Erde fliegt, was sieht man da? Sieht man die Lichter?“
    „ Ja. Nicht einmal die Hälfte der Menschheit hat Strom, und doch ist alles beleuchtet.“
    „ Ein Sternenhimmel auf der Erde.“
    „ Man sieht manchmal wahnsinnig klar. Einzelne Straßen. Ich habe immer mein Haus gesucht, wo wir damals gewohnt haben, in der Sternenstadt. Ich habe dort auf dem Dach ein Herz aus roten Glühbirnen befestigt. Ich konnte das Haus nie finden. Aber man sieht die Städte, die Plätze, die großen Straßen.“
    „ Sieht man eigentlich viel Umweltverschmutzung?“
    „ Man sieht, dass der Regenwald schrumpft. Aber das ist weniger eindrucksvoll als die Versteppung in Afrika, die Bodenerosion. Von Madagaskar sieht man über viele Quadratkilometer weit den orangen, ins Meer gewehten Sand. Weißt du, dass jeder Kontinent eine andere Farbe hat?“
    „ Nein. Welche Farben?“
    „ Rate mal.“
    „ Keine Ahnung.“
    „ Südamerika ist dunkelgrün. Afrika ist ockerbraun. Australien ist fast purpurn, ein wunderschönes Rot.“
    „ Wie ist da eigentlich die Sonne draußen?“
    „ Die Sonne ist winzig. Auf der Erde macht erst die Luft die Sonne schön. Du kennst das sicher, am Abend, da kann das ein riesiger, fast roter Ball sein. Aber im Weltall draußen, da ist die Sonne stecknadelkopfgroß und stechend scharf.“
    ich schlage die Decke auf und wir schlüpfen darunter, weil uns kühl ist. Jeka rutscht mit dem Rücken voran in die Körperkuhle hinein mit einem kleinen unartikulierten Ton der Zufriedenheit.
    „ Ich habe da eine Geschichte gehört, ich weiß nicht, ob die stimmt“, sage ich.
    „ Ja?“
    „ Damals, Apollo 11, du weißt noch. Das waren die Amerikaner. Auf den Schuhen hatten die Astronauten Samen. Von Gräsern, von Büschen, von Bäumen hier auf der Erde. Als die Männer auf Cap Canaveral zur Rakete gingen, hatten sie diese Samen auf ihren Schuhen. Als sie auf den Mond gelangt waren, ließen sie diese Plaketten dort mit Bach und Beethoven und Müll, rammten die Banner der U.S.A. in den Mondstaub und fuhren wieder weg. Aber ihre Samen blieben in den Fußabdrücken zurück. Irgendwann einmal ist Feuchtigkeit dazugekommen, und die Samen sprossen aus, wurden Keimlinge, Buschwerk, Bäume. Es heißt, man kann es jetzt schön langsam sehen. In klaren Nächten bei Vollmond sieht man schon Wälder von Bäumen. Die ältesten davon sind zwanzig, dreißig Jahre alt. Das sind jetzt noch winzige grüne Flecken. In hundert Jahren wird der ganze Mond grün sein.“
    „ Der Mond hat keine Atmosphäre“, sagt Jeka.
    Als die Sterne aufgegangen sind, wird es in der Stadt unten und in der Luft hier heroben vollkommen still. Der Himmel ist nicht nur oben, sondern überall, und deshalb sinken die Sterne seitlich ins Blickfeld, großtropfig und gelbweiß, und verschwinden irgendwo in der Tiefe, sodass der Große Wagen den Kiel in das Wasser zu tauchen scheint.
    Als dann der Morgen kommt, kehren die Windstöße zurück. Der Vorhang auf der Ostseite des Hotelzimmers wird flammendrot und unten ist die See rau und klar, soweit der Blick reicht. Jeka kommt im Halbschlaf über die Bettmitte gekrochen und drängt sich dort, wo ich die Decke hochhalte, an meinen Bauch.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

Weitere Kostenlose Bücher