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Abdruecker (Splattergeschichten)

Abdruecker (Splattergeschichten)

Titel: Abdruecker (Splattergeschichten) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Bach
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waren siebenundzwanzig, ein Fünfziger, ein Zehner, Münzen. Das mochte ihr Anteil sein vom letzten Raub, das Geld gehörte sicher einem Kollegen. In seinen Gedanken war sie längst eine dieser Wegelagerer geworden, die in Banden auftreten. Diesmal hatte er denen eins ausgewischt. Das Parfüm und die Zigaretten, das war weitgehend unverdächtig. Die Kleider schnürte er in ein Bündel, und legte es neben sich auf den Boden, das würde bei nächster Gelegenheit rausfliegen. Er schob die Flasche in seine Waschtasche und die Zigaretten in sein Hemd. Es war auf jeden Fall glaubhaft, dass er Marlboro rauchte. Wenn man ihn nach dem Lippenstift fragte, würde er ... er schielte an den Vorhängen vorbei ins Freie.
    Das Motorgeräusch eines vorüber streichenden Wagens hatte ihn stutzig gemacht. Lange war hier niemand durchgekommen. Längst war es Tag. Eben noch hatte der Morgen gegraut, und jetzt, nachdem es aufgehört hatte zu schneien, war schon die Sonne denkbar. Er griff nach dem Kleiderbündel. Wenn er das Zeug wegwarf, würde es spätestens mit der Schneeschmelze wieder auf den fernen erfrorenen Leib im Pelzmantel hinweisen. Er hätte die Dinger nun am liebsten vergraben, mit einer Spitzhacke im gefrorenen Boden. Die absurde Vorstellung, dass erst mit dem Verscharren der Kleider das Gehirn der Toten begraben war, und der Mund nichts mehr sagen konnte, zuckte augenblickslang hoch. Die Ärmel des Hemdes der Toten schienen wie die Arme einer Leiche. Er rutschte über die Sitze hinaus ins Freie. Eiseskälte. Er warf das Zeug einfach hinab in den Schnee und kletterte dann zurück, um das Feuerzeug zu holen. Papier hatte er nicht zur Hand, er war kein Leser. Aber war da nicht irgendwo in der Tasche etwas Brennbares gewesen? Das Papier mit den kyrillischen Schriftzeichen. Er stieg hoch und sah sich nach der Tasche um. Er durchwühlte seine Schlafstätte, die Kissen, die Decken. Zum Teufel, wo war die Tasche? Aber es musste da noch ein Reservekanister mit Diesel im Stauraum sein mit all dem Müll, den er in der Landsitz geladen hatte. Hauptsache, die „Leiche“ aus Kleidern verbrannte rückstandslos, das war ökologisch. Der Fernfahrer grinste bei dem Gedanken.
    Dann ging er um den Lastwagen herum und spähte auf die Fassade der aufgelassenen Fabrik, vor der er gehalten hatte, und auf die Straße. Hier war schon lange keiner gewesen, und wer hier vorüber fuhr, hielt auch nicht. Er betätigte die Elektronik, entriegelte die Ladeflächentür und stieg hinten auf, um zwischen der Ladung den Kanister zu suchen. Er fand ihn, sprang hinab in den Schnee.
    Das war der Moment, in dem ihm klar wurde, dass etwas nicht stimmte. Ein Geräusch, oder die Ahnung davon. Vielleicht ein Tier, ein Hase. Er stand im Sichtschutz des Lastwagens und lauschte. Ging lautlos (nein, der Schnee knirschte, und man würde die Dampfwolken sehen, die sein Mund verursachte) in die Hocke und schielte unter der Hydraulik zwischen den Reifen durch. Es war zu kalt, um vorsichtig zu sein. Er musste schnell machen, bevor sein Körper in der eisigen Kälte zu zittern begann. Er verwünschte sich dabei, keine Waffe zu haben, schaute sich um, hob dann den Kanister in die Höhe. Er verschob sich hinter dem Sichtschutz des Wagens, spähte, das Herz klopfte. Er stand schief, lugte um das Eck der Plane. Nichts. Dann trat er hinter dem Wagen hervor mit dem Kanister in der Hand, eilig, das Feuer herbeiwünschend und die Wärme, die er damit entfachen würde. Er würde sich jetzt beeilen, stürzte auf das Bündel Kleider hin, das versteckt im Schnee lag. Die Klappe des Kanisters war schwerfällig geöffnet mit tauben Fingern, der Kraftstoff schwappte auf den Boden, aber da war nichts. Das heißt, der Boden war da, aber die Kleider waren verschwunden. Es war da noch eine Kuhle im Schnee, wo sie gelegen hatten, und Fußspuren, die in die Richtung der Beifahrertür verliefen.
    Diese Bestätigung seiner Ahnung und diese Spuren ließen ihn herumfahren, und da sah er ihn: Ein Mann hockte am Fahrersitz seines Lasters. Es war ein Spiegelbild seiner selbst in der Funktion eines Fernfahrers, aber der Mann war ganz anders als er. Er trug schwarze Kleidung und hatte blonde Haare, und er war bleich und relativ jung. Er wirkte ruhig und entschlossen, aber das war vielleicht ganz anders, konnte auch mühsame Beherrschung sein. Überraschend, wie aus dem Nichts, brüllte der Motor auf. Ein Dieb, ein Ortsansässiger, mit dem er fertig werden würde, mit dem es sich verhandeln ließ, schoss

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