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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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meine Schwestern. Und ich konnte ihnen nicht helfen. Ich konnte nur …« Er schüttelte den Kopf. »Ich hasse Wasser. Ich will nie wieder auf einem Schiff sein.«
    Claire ging zu Teddy und nahm ihn in den Arm. Sie spürte sein Herz, das wie ein Vogel gegen seine schmächtige Brust schlug. »Es ist nicht deine Schuld«, murmelte sie. »Du hättest sie nicht retten können.«
    »Ich habe überlebt. Und sie nicht.«
    »Gib nicht dir die Schuld. Sondern den Leuten, die das getan haben. Oder dieser beschissenen Welt. Oder auch deinem Vater, weil er euch auf diese Schiffsreise mitgenommen hat. Aber gib dir niemals selbst die Schuld, Teddy.«
    Er riss sich aus ihrer Umarmung los und wich aus dem Kreis zurück. »Das ist bescheuert. Ich habe keine Lust, dieses Spiel mitzuspielen.«
    »Das ist kein Spiel«, sagte Julian.
    »Für euch ist es eins!«, gab Teddy zurück. »Ihr und euer blöder Club. Kapiert ihr das nicht? Für uns ist es das wahre Leben. Unser Leben.«
    »Und deshalb seid ihr auch diejenigen, die es herausfinden müsst – ihr drei«, entgegnete Julian. »Ihr müsst euch zusammensetzen und herausfinden, was ihr gemeinsam habt. Eure Familien, eure Eltern, die Schulen, auf die ihr gegangen seid. Es geht darum, diese eine Verbindung zu finden; die eine Person, mit der euer Schicksal verknüpft ist.«
    »Person?«, fragte Will leise. »Du meinst den Mörder?«
    Julian nickte. »Darauf läuft alles hinaus. Es gibt jemanden, der euren Lebensweg gekreuzt hat oder den eurer Eltern. Jemand, der euch vielleicht in diesem Moment auf der Spur ist.«
    Claire sah Will an und erinnerte sich an das, was er zu ihr gesagt hatte: Ich habe das Gefühl, dass wir uns schon mal begegnet sind . Sie hatte keinerlei Erinnerung an ihn. Sie konnte sich an vieles nicht erinnern, aber das lag daran, dass sie eine Kugel in den Kopf bekommen hatte. Man konnte so manches auf diese Kugel schieben, von ihren mittelmäßigen Noten über die Schlaflosigkeit bis hin zu ihrer Launenhaftigkeit und ihrem Jähzorn.
    Und jetzt waren die alten Kopfschmerzen wieder da. Auch dafür gab sie der Kugel die Schuld.
    Sie ging zu einem der Findlinge und setzte sich, um ihre Kopfhaut zu massieren und die alte Delle in ihrem Schädel zu befingern. Zu ihren Füßen war ein dünner Schössling zwischen den Steinen gewachsen. Nicht einmal Granit kann das Unvermeidliche aufhalten, dachte sie. Eines Tages wird der Baum durchbrechen, wird diesen Felsen spalten und anheben. Und selbst wenn ich diesen Schössling abschneide, wird dafür ein anderer aus dem Boden schießen.
    Unerbittlich, wie ein zu allem entschlossener Mörder.
    Claire öffnete ihren Schrank und streckte sich nach der ramponierten Pappschachtel auf dem obersten Regal. Sie hatte sie nicht herausgenommen, seit sie in Abendruh angekommen war, und konnte sich kaum an den Inhalt erinnern. Vor zwei Jahren hatten sie und Barbara Buckley sie mit ein paar Erinnerungsstücken aus der Londoner Wohnung ihrer Eltern gefüllt. Seitdem war die Schachtel immer mit ihr gereist, von London nach Ithaca und jetzt hierher, aber nicht ein Mal hatte sie einen Blick hineingeworfen. Sie hatte Angst gehabt, ihre Gesichter wiederzusehen, hatte gefürchtet, dass es sie an all das erinnern würde, was sie verloren hatte. Sie setzte sich auf ihr Bett und stellte die Schachtel neben sich. Hielt einen Moment inne, um sich zu wappnen, ehe sie den Deckel anhob.
    Obenauf lag ein Einhorn aus Porzellan. Izzy, dachte sie. Ich erinnere mich an seinen Namen. Es hatte ihrer Mutter gehört, ein kitschiges kleines Andenken, das Isabel irgendwo auf einem Flohmarkt erstanden hatte. Sie hatte es ihren Glücksbringer genannt. Das Glück ist uns nicht treu geblieben, Mom. Keinem von uns.
    Behutsam stellte Claire das Einhorn auf ihren Nachttisch und griff in die Schachtel, um die nächsten Gegenstände hervorzuholen. Ein Samtbeutel mit Kordelverschluss, der den Schmuck ihrer Mutter enthielt. Die Pässe ihrer Eltern. Ein Seidenschal, der leicht nach Parfüm duftete, eine lebhafte Zitrusnote. Und schließlich, am Boden der Schachtel, zwei Fotoalben.
    Sie nahm die Alben heraus und legte sie sich auf den Schoß. Es war unschwer zu erkennen, welches das neuere war – es hatte hinten noch einige leere Seiten. Dieses Album schlug sie zuerst auf, und von der ersten Seite lächelte ihr ihr eigenes Gesicht entgegen. Sie trug ein leichtes gelbes Kleidchen und stand mit einem Luftballon in der Hand vor dem Eingang von Disneyworld. Sie erinnerte sich nicht an das

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