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Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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das, weil ich gar nicht drüber nachdenke. Es ist nur eine dumme Angewohnheit.«
    Er nickte. »Ich habe auch dumme Angewohnheiten. Zum Beispiel sage ich dauernd ›cool‹.«
    »Dann hör doch einfach damit auf.«
    »Einigen wir uns drauf, dass wir beide damit aufhören. Okay?«
    »Klar. Von mir aus.« Sie blätterte weiter in dem Album, sah noch mehr Fotos ihres attraktiven Vaters an verschiedenen Schauplätzen. Bei einem Picknick mit Freunden unter Bäumen. In der Badehose an einem Strand mit Palmen. Dann stieß sie auf ein Foto, das ihre Eltern zusammen zeigte. Arm in Arm standen sie vor dem Kolosseum in Rom.
    »Schau, das ist meine Mom«, sagte sie leise und strich mit dem Finger über das Bild. Das Parfüm auf diesem Schal zerriss plötzlich den Nebel, der ihre verlorenen Erinnerungen einhüllte, und sie konnte das Haar ihrer Mutter riechen, konnte die Hände ihrer Mutter auf ihrem Gesicht spüren.
    »Sie sieht aus wie du«, sagte Will staunend. »Sie ist echt wunderschön.«
    Sie sind beide wunderschön, dachte Claire, während sie sehnsüchtig das Bild ihrer Eltern anstarrte. Sie mussten geglaubt haben, die ganze Welt läge ihnen zu Füßen, als dieses Foto entstand. Sie sahen beide auffallend gut aus und hatten das ganze Leben noch vor sich. Und sie wohnten in Rom. War ihnen je der Gedanke gekommen, hatten sie es auch nur im Entferntesten für möglich gehalten, dass ihre glänzende Zukunft schon so bald jäh enden könnte?
    »Das wurde vor neunzehn Jahren gemacht«, sagte Will, als er das Datum entdeckte, das Claires Mutter von Hand in das Album eingetragen hatte.
    »Da waren sie frisch verheiratet. Mein Dad hat an der Botschaft gearbeitet. Er war politischer Sekretär.«
    »In Rom? Wow. Bist du dort geboren?«
    »Auf meiner Geburtsurkunde steht, dass ich in Virginia geboren bin. Ich nehme an, dass meine Mom nach Hause geflogen ist, um mich zur Welt zu bringen.«
    Sie blätterten weiter, sahen noch mehr Fotos des attraktiven Paars, lächelnd bei einem Dinner, mit Champagnergläsern in der Hand bei einem Empfang, winkend auf einem Motorboot. Sie hatten la dolce vita gelebt, wie ihre Mutter immer gesagt hatte. Das süße Leben. Und das war es, was Claire in diesen Fotos sah, Dokumente einer endlosen Reihe von Partys und Dinners mit Kollegen und Freunden. Aber das sollten Fotoalben ja auch zeigen – die besten Momente des Lebens. Die Momente, an die man sich erinnern wollte, nicht die, die man lieber vergessen würde.
    »Schau mal, das müsstest du sein«, sagte Will.
    Es war ein Foto von Claires Mutter. Sie saß lächelnd in ihrem Krankenhausbett und hielt einen Säugling im Arm. Claire las das handgeschriebene Datum und sagte: »Genau, das ist der Tag, an dem ich zur Welt gekommen bin. Meine Mom hat gesagt, es sei ganz schnell gegangen. Sie meinte, ich hätte es so eilig gehabt rauszukommen, dass sie es fast nicht rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft hätte.«
    Will lachte. »Du hast es immer noch eilig rauszukommen.«
    Sie blätterte weiter. Noch mehr langweilige Babyfotos. Claire im Kinderwagen. Im Hochstuhl. Mit dem Fläschchen in der Hand. Nichts davon half ihr, sich an irgendetwas zu erinnern, denn diese Fotos waren alle entstanden, bevor ihre Erinnerungen einsetzten. Es hätte ebenso gut das Album eines anderen Mädchens sein können.
    Sie kam zur letzten Seite. Auf den letzten beiden Fotos tauchte Claire nicht auf. Sie zeigten wieder einmal eine Cocktailparty, wieder eine Ansammlung von lächelnden Fremden mit Weingläsern in der Hand. Das war die Bürde der Diplomatengattin, hatte ihre Mutter oft gescherzt. Immer lächeln, immer nachschenken. Claire wollte das Album schon zuklappen, als Will plötzlich seine Hand auf ihre legte.
    »Warte mal«, sagte er. »Das Bild da.«
    »Was ist damit?«
    Er nahm ihr das Album ab und beugte sich weit herunter, um eines der Partybilder genauer zu betrachten. Es zeigte Claires Vater mit einem Cocktailglas in der Hand, wie er mit einem anderen Mann über etwas lachte. Die Bildunterschrift lautete: 4. JULI. HAPPY BIRTHDAY, USA!
    »Diese Frau«, murmelte Will. Er deutete auf eine schlanke Brünette, die rechts von Erskine Ward stand. Sie trug ein tief ausgeschnittenes grünes Kleid mit goldenem Gürtel, und ihr Blick war auf Claires Vater geheftet, ein Blick, der unverhohlene Bewunderung ausdrückte. »Weißt du, wer sie ist?«, fragte Will.
    »Sollte ich das wissen?«
    »Schau sie halt an. Versuch dich zu erinnern, ob du sie schon mal gesehen hast.«
    Je intensiver

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