Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abendruh: Thriller (German Edition)

Abendruh: Thriller (German Edition)

Titel: Abendruh: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
versperrte. Sein Gesicht konnte sie nicht sehen, nur seine Silhouette. Und die Waffe, die er in der Hand hielt.
    Reifen kreischten, als ein weiterer Wagen mit röhrendem Motor auf sie zuschoss.
    Claire wich erschrocken in den Saab zurück, wie eine Schildkröte, die sich in den Schutz ihres Panzers verkriecht. Sie zog sich vom Fenster zurück, hielt sich die Arme über den Kopf und fragte sich nur, ob die Kugel diesmal wehtun würde. Ob sie spüren würde, wie sie in ihren Schädel eindrang. Sie rollte sich so fest zusammen, dass sie nur noch das Geräusch ihres eigenen Atems hörte, das Rauschen des Bluts in ihren Adern.
    Fast hätte sie die Stimme überhört, die ihren Namen rief.
    »Claire Ward?« Es war eine Frau.
    Ich muss wohl tot sein. Und das da ist ein Engel, der mit mir redet.
    »Er ist weg. Du kannst jetzt rauskommen, die Gefahr ist vorbei«, sagte der Engel. »Aber du musst dich beeilen.«
    Claire schlug die Augen auf und spähte durch ihre Finger auf das Gesicht, das sie seitwärts durch das kaputte Fenster anstarrte. Ein schlanker Arm streckte sich nach ihr aus, und Claire duckte sich ängstlich weg.
    »Er wird wiederkommen«, sagte die Frau. »Also beeil dich.«
    Claire ergriff die dargebotene Hand, und die Frau zog sie heraus. Glassplitter regneten klirrend herab, als Claire auf den Asphalt rollte. Allzu schnell setzte sie sich auf, und die nächtliche Szenerie drehte sich um sie. Sie erhaschte einen kurzen Blick auf das Wrack des Saab, der sich überschlagen hatte, dann musste sie den Kopf schon wieder senken.
    »Kannst du aufstehen?«
    Langsam hob Claire den Kopf.
    Die Frau war ganz in Schwarz gekleidet. Ihr Haar war zum Pferdeschwanz gebunden, und die blonden Strähnen schimmerten hell im Schein der Straßenlaterne. »Wer sind Sie?«, flüsterte Claire.
    »Mein Name ist nicht wichtig.«
    »Bob … Barbara …« Claire sah zu dem auf dem Dach liegenden Wagen. »Wir müssen sie da rausholen! Helfen Sie mir.« Claire kroch zur Fahrerseite und riss die Tür auf.
    Bob Buckley fiel heraus auf die Straße, die blicklosen Augen weit aufgerissen. Claire starrte auf das Einschussloch in seiner Schläfe. »Bob«, stöhnte sie. » Bob! «
    »Du kannst ihm nicht mehr helfen.«
    »Barbara … Was ist mit Barbara?«
    »Es ist zu spät.« Die Frau packte sie an den Schultern und schüttelte sie kräftig. »Sie sind tot, verstehst du? Sie sind beide tot.«
    Claire schüttelte den Kopf, den Blick immer noch auf Bob geheftet. Auf die Blutlache, die sich jetzt um seinen Kopf herum ausbreitete wie ein dunkler Heiligenschein. »Das kann doch nicht wirklich passieren«, wisperte sie. »Nicht schon wieder.«
    »Komm, Claire.« Die Frau ergriff ihre Hand und zog sie hoch. »Komm mit mir. Wenn dir dein Leben lieb ist.«

2
    An dem Abend, als der vierzehnjährige Will Yablonski hätte sterben sollen, stand er im Dunkeln auf einer Wiese in New Hampshire und hielt Ausschau nach Aliens.
    Er hatte die komplette Ausrüstung beisammen, die er für seine Suche brauchte. Da war sein 10-Zoll-Dobson-Spiegel, den er drei Jahre zuvor von Hand geschliffen hatte, als er erst elf Jahre alt gewesen war. Er hatte zwei Monate daran gearbeitet, zuerst mit grobem 80-körnigen Sandpapier, dann nach und nach mit immer feinerer Körnung, um das Glas zu formen, zu glätten und zu polieren. Mithilfe seines Vaters hatte er seine eigene Altazimut-Montierung gebaut. Das 25-mm-Plöss-Okular war ein Geschenk seines Onkels Brian, der Will half, die ganzen Geräte nach dem Abendessen hinaus aufs Feld zu schleppen, wann immer der Himmel klar war. Aber Onkel Brian war eine Lerche, keine Eule, und um zehn Uhr abends war er immer schon reif fürs Bett.
    Und so stand Will allein auf dem Feld hinter dem Bauernhaus seiner Tante und seines Onkels, wie an den meisten Abenden, wenn es keine Wolken gab und der Mond nicht schien, und suchte den Himmel nach kosmischen Staubhaufen ab, besser bekannt als Kometen. Sollte er je einen neuen Kometen entdecken, dann wusste er schon genau, wie er ihn nennen würde: Komet Neil Yablonksi , zu Ehren seines verstorbenen Vaters. Ständig wurden neue Kometen von Amateur-Astronomen entdeckt – warum sollte es das nächste Mal nicht ein vierzehnjähriger Junge sein? Sein Vater hatte ihm einmal gesagt, es brauche dafür nur Hingabe, ein geübtes Auge und eine Menge Glück. Es ist eine Schatzsuche, Will. Das Universum ist wie ein Strand, und die Sterne sind Sandkörner, die das, was du suchst, verdecken .
    Für Will war die Schatzsuche

Weitere Kostenlose Bücher