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Abendstern - Roman

Abendstern - Roman

Titel: Abendstern - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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mindestens einmal in der Woche ging er zum Abendessen zu Gino’s.
    Sein Vater glaubte daran, dass man die Gemeinschaft der lokalen Händler unterstützen musste, und jetzt, da sein Vater sozusagen im Ruhestand war und Cal die Führung der Geschäfte übernommen hatte, versuchte er, der Tradition der Hawkins zu folgen.
    Er kaufte im Geschäft am Ort ein, obwohl der Supermarkt außerhalb der Stadt preiswerter war. Wenn er einer Frau Blumen schicken wollte, widerstand er der Versuchung, das mit ein paar Mausklicks am Computer selbst zu erledigen, und ging stattdessen in den Flower Pot. Wenn möglich engagierte er lokale Handwerker.
    Abgesehen von der Zeit auf dem College hatte er immer in Hollow gelebt. Es war seine Stadt.

    Seit seinem zehnten Geburtstag durchlebte er alle sieben Jahre erneut den Alptraum, der den Ort heimsuchte. Und alle sieben Jahre half er danach beim Aufräumen.
    Er schloss die Tür zum Bowl-a-Rama auf, verriegelte sie jedoch hinter sich wieder. Die Leute neigten dazu, auch außerhalb der Öffnungszeiten einfach hereinzuspazieren, wenn die Tür nicht verschlossen war.
    Früher war er lockerer damit umgegangen, bis in einer schönen Nacht, als er gerade mit Allysa Kramer Strip-Bowling spielte, plötzlich drei Halbwüchsige aufgetaucht waren, die gedacht hatten, dass vielleicht der Videoshop noch auf hätte.
    Die Lektion hatte er gelernt.
    Er ging an der Empfangstheke, der Sechs-Bahnen-Anlage, dem Schuhverleih und dem Grill vorbei und lief die Treppe in den ersten Stock hinauf, wo sich das Büro seines Vaters, ein winziges Klo und eine riesige Lagerfläche befanden.
    Er stellte den Kaffee auf den Schreibtisch, zog sich die Handschuhe aus, Schal, Kappe, Jacke und Daunenweste.
    Dann fuhr er seinen Computer hoch, schaltete das Satellitenradio ein, trank seinen ersten Schluck Kaffee und machte sich an die Arbeit.
    Das Bowlingcenter, das Cals Großvater in den 40er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eröffnet hatte, hatte drei Bahnen und ein paar Flipper gehabt. In den sechziger Jahren war es erweitert worden, und dann wieder, als Cals Vater es Anfang der Achtziger übernommen hatte.

    Jetzt war es, mit seinen sechs Bahnen, der Spiele-Passage und dem privaten Partyraum der angesagte Treffpunkt in Hollow.
    Dank Grandpa, dachte Cal, als er die Partyreservierungen für den nächsten Monat überflog. Noch größeren Anteil daran hatte allerdings Cals Vater, der die Bowlingbahn in einen Familientreffpunkt verwandelt und seinen Erfolg dazu genutzt hatte, andere Geschäftszweige aufzubauen.
    Die Stadt trägt unseren Namen, sagte Jim Hawkins gerne. Respektiert den Namen, respektiert die Stadt.
    Cal tat beides, sonst wäre er schon lange hier weggegangen.
    Er arbeitete seit ungefähr einer Stunde, als es an die Tür klopfte.
    »Entschuldigung, Cal. Ich wollte nur Bescheid sagen, dass ich hier bin. Heute früh ist ja geschlossen, da habe ich gedacht, dass ich rasch die Toiletten streiche.«
    »Okay, Bill. Hast du alles, was du brauchst?«
    »Ja, klar.« Bill Turner, der seit fünf Jahren, zwei Monaten und sechs Tagen trocken war, räusperte sich. »Hast du eigentlich was von Gage gehört?«
    »Nein, seit zwei Monaten nicht.«
    Gefährliches Gebiet, dachte Cal, als Bill bloß nickte.
    »Ich fange dann mal an.«
    Cal blickte ihm nach. Da konnte er nichts machen, sagte er sich. Und er mischte sich besser auch nicht ein.
    Wogen fünf Jahre ohne Alkohol all die Prügel, die
Schläge und Flüche auf? Das konnte er nicht beurteilen.
    Er blickte auf die dünne Narbe, die diagonal über sein Handgelenk verlief. Seltsam, wie schnell diese kleine Wunde geheilt war, und doch war die Narbe geblieben - die einzige Narbe, die er hatte. Seltsam auch, dass so etwas Kleines die Stadt alle sieben Jahre sieben Tage lang in die Hölle verwandelte.
    Ob Gage wohl diesen Sommer zurückkommen würde wie jedes siebte Jahr? Cal konnte nicht in die Zukunft sehen, diese Gabe besaß er nicht, aber er wusste, wenn er, Gage und Fox einunddreißig wurden, wären sie in Hollow alle zusammen.
    Sie hatten einen Eid abgelegt.
    Er erledigte seine Arbeit und schrieb dann noch schnell eine E-Mail an Gage.
    Hey. Wo bist du? In Vegas? Mozambique? Duluth? Ich treffe mich jetzt gleich mit Fox. Eine Schriftstellerin kommt nach Hollow, um die Geschichte, die Legende und was man so als Anomalien bezeichnet, zu recherchieren. Wir kriegen das schon allein geregelt, aber ich dachte, ich sage es dir lieber. Wir haben minus 5°C, gefühlt allerdings minus zehn.

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