Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
ich.
Weder Olli noch Tanja sahen so aus, als wollten sie länger bleiben als unbedingt nötig. Ihre Gesichter waren von Zwiespalt gezeichnet. Rennen oder einsammeln?
Da krachte es im Unterholz.
»Sarazenen!«, jaulte Olli und Tanja schrie auf.
Sommersprosse, Hängeschulter und Fetti bahnten sich ihren Weg durch den Wald und bauten sich vor uns auf. Zwar keine Sarazenen, aber immer noch schlimm genug. Die drei sahen arg zerzaust, aber nicht minder bedrohlich aus.
»Wen haben wir denn da?«, rief Fetti und stemmte die Arme in seine fetten Hüften.
»Weg!«, schrie Olli und gab Fersengeld. Tanja und ich spurteten in die andere Richtung, gefolgt vom Johlen der Stänkerfritzen.
Wir schauten nicht zurück, sprangen über Felsen, duckten uns unter Ästen, eilten Hänge hinauf und wieder hinab, bis wir gleichzeitig innehielten und schnauften: »Ich kann nicht mehr.«
Und dann: »Wo sind wir?«
Die Bäume hier standen hoch und dicht und das Sonnenlicht hatte Mühe, den Waldboden zu erreichen. Wir hörten den Wind in den Wipfeln, ansonsten war es still.
Nein, nicht ganz still!
Von irgendwoher drangen die Rufe der Sprossenbande. Aus welcher Richtung der Wind sie zu uns trug, war nicht ausmachen. Ein paar unserer Schritte konnten wir noch leicht zurückverfolgen, aber schon bald waren Tanja und ich uneins darüber, wohin wir uns wenden sollten.
»So weit sind wir doch nicht gelaufen«, sagte sie.
»So groß ist der Wald sicher nicht«, sagte ich.
»Groß genug, um eine ganze Weile nicht gefunden zu werden«, antwortete sie und öffnete unsere Rucksäcke. »Wir haben noch zwei Snickers und zwei Äpfel. Besser als gar nichts.«
Mit Tanja im Wald verschollen – ich konnte mir Schlimmeres vorstellen.
»Ich hoffe, die haben Olli nicht erwischt«, sagte Tanja.
Ich schwieg. Die hatten Olli bestimmt erwischt, so langsam, wie der rannte. Ich hoffte, dass sie ihn nicht grün und blau geprügelt hatten.
»Gibt es hier Wölfe?«, fragte Tanja.
»Keine Ahnung.« Mir wurde unwohl zumute. »Ich komme aus der Stadt, da gibt es Wölfe nur im Zoo.«
Der Radau der Sprossenbande verklang und nun war es ganz still.
»Wenn wir nur geradeaus gehen, kommen wir vielleicht aus dem Wald heraus«, sagte Tanja.
»Ich habe gehört, Menschen laufen immer im Kreis. Vielleicht sollten wir lieber einen Schlafplatz suchen und aus Ästen ein Dach über dem Kopf bauen? Gegen den Regen.«
»Es regnet nicht«, widersprach Tanja.
»Könnte es aber.«
»Was, wenn wir Räubern begegnen?«
»Oder Menschenfressern?«
»Nun hör aber auf ...«
Wir beschlossen, uns keine Angst mehr zu machen, einigten uns aber darauf, keine Lieder zu pfeifen und so leise wie möglich zu sein. Sicher ist sicher.
»Wir müssen nach Südwesten«, sagte ich, denn an die Karte von gestern erinnerte ich mich noch einigermaßen.
»Wo ist das?«
Ich hockte mich hin und spürte den Stabmagneten in meiner Gesäßtasche. »Hast du einen Nagel, Wasser und eine Schüssel, dann sage ich dir, wo wir lang müssen.«
Sie wühlte wieder in ihrem Rucksack. »Taschentücher, ein Schokoriegel, ein Apfel, eine Papierschere, Krimskrams, aber weder Nagel noch Wasser noch Schüssel. Ärgerlich.
»Was ist das?« Ich deutete auf eine Blättersammlung, die von einer Büroklammer zusammengehalten wurde.
»Meine Einkaufszettel von gestern«, antwortete sie.
Ich zog die Klammer ab und rieb mit dem Magneten darüber. Ein Versuch kostete ja nichts.
»Es wird ziemlich dunkel«, sagte sie.
»Bin gleich so weit. Die Klammer muss sich frei bewegen können. Dazu ist das Wasser gut. Ohne Wasser ... Ich habe eine Idee!« Ich zog einen Faden aus meinem T-Shirt, suchte eine windgeschützte Stelle, band die magnetisierte Büroklammer an den Faden und hängte sie an einen Zweig.
Gespannt warteten wir ab.
Die Klammer drehte sich, hielt schließlich still und zeigte in eine Richtung.
»Zufall«, sagte Tanja kritisch.
»Noch ein Versuch.«
An zwei weiteren windsicheren Stellen testeten wir die Klammer, immer mit demselben Ergebnis.
»Irre!«, kommentierte Tanja.
»Wenn da Norden ist, dann müssen wir uns eine Vierteldrehung nach rechts drehen, dann noch eine Achteldrehung und das ist unsere Richtung.«
Los ging es.
Es war nicht der direkteste Weg. Mühsam stapften wir durch den Wald, kletterten, kraxelten und krochen, während es dunkler und dunkler wurde, aber endlich sahen wir unten im Tal die Lichter Wollebachs. Tanja strahlte vor Glück, umarmte mich und gab mir einen Freudenkuss auf
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