Abenteurer sucht Frau fürs Leben
retten!“ Sie deutete zu Kyle, der an der Bar von mehreren langbeinigen Frauen umringt wurde. Ein Sonnenstrahl fiel durch die Fensterwand auf sein Gesicht und brachte vorstehende Wangenknochen und tiefe Augenhöhlen zum Vorschein. „War er krank?“
Mike nickte. „Du merkst aber auch alles. Der Junge hat reichlich an Gewicht verloren. Bronchialkatarrh zählt zu den Berufsrisiken, aber dieser ist besonders hartnäckig. Die Antibiotika schlagen zwar gut an, dennoch wird es eine Weile dauern. Vorausgesetzt natürlich, dass ich ihn …“, er senkte die Stimme, als Kyle mit zwei großen dampfenden Bechern herüberschlenderte, „… lange genug hier festhalten kann, damit er sich richtig ausruht.“
„Sprichst du etwa von mir ?“ Schmunzelnd setzte Kyle sich an den Tisch. „Inzwischen solltest du wissen, dass ich nie zur Ruhe komme.“ Er stellte Lili einen Becher mit Tee hin. „Ich hatte den Eindruck, dass Sie ein bisschen unterkühlt aussehen, Marta. Das dürfte Sie aufwärmen.“
„Danke, Kyle, sehr aufmerksam.“
Mike blickte überrascht zwischen den beiden hin und her. „Ich wusste gar nicht, dass ihr zwei euch schon begegnet seid. Wie ist es dazu gekommen?“
„Ach, Marta und ich sind alte Freunde. Ich fürchte, ich muss dich warnen, Mike. Diese Lady ist in ganz eigener geheimer Mission unterwegs. Ich hoffe, du hast keine kostbaren Kunstwerke bei dir zu Hause rumliegen.“
Mike schüttelte den Kopf. „Was immer du getrunken haben magst, hör sofort auf damit. Und warum nennst du sie Marta ? Lili, hast du eine Ahnung, wovon dieser Idiot redet?“
„ Lili ?“ Kyle lachte auf. „Also wirklich! Ich hätte einen einfallsreicheren Künstlernamen erwartet.“
Gelassen nahm sie einen Schluck Tee und erklärte: „Ach, weißt du, Mike, es ist eigentlich ganz einfach. Kyle und ich sind einander nicht richtig vorgestellt worden.“ Sie hob den Becher in Kyles Richtung. „Meinen Glückwunsch zu der Buchpräsentation, Dr. Munroe, und vielen Dank für die Widmung. Lili ist mein richtiger Name. Lili Hamilton. Ruth Taylor Hamilton war meine Mutter.“
Diese Erklärung verschlug ihm die Sprache. Dass die inspirierende Chirurgin, mit der er in Uganda zusammengearbeitet hatte, noch ein zweites Leben als Ehefrau und Mutter geführt haben könnte, hatte er sich keine Sekunde lang vorgestellt. Nicht einmal in seinen kühnsten Träumen, und die konnten sogar nach seinen eigenen Maßstäben sehr wild sein.
Seine anderen Kollegen pflegten Briefe und Fotos an die Wände ihrer Zelte zu pinnen, und er beneidete sie häufig um ihre Angehörigen. Ruth Taylor Hamilton hatte jedoch nie eine Familie erwähnt. Nicht mit einer einzigen Silbe, mit keiner Geste. „Oh, ich wusste nichts davon.“
„Das wundert mich nicht“, warf Mike ein. „Ruth hat nie darüber gesprochen, dass sie Ehemann und Tochter in England zurückgelassen hat, wenn sie zu einer Mission aufgebrochen ist. Sie hat Familie und Beruf immer strikt getrennt. Das war ihre Art, mit der Situation klarzukommen.“
Kyle atmete einige Male tief durch und betrachtete die Tochter der erstaunlichsten Frau, die ihm je begegnet war. Nach und nach musterte er ihre Gesichtszüge – die vollen, hübsch geschwungenen Lippen, die hohen Wangenknochen mit den reizenden Sommersprossen, die überwältigenden blauen Augen unter den hellen Brauen, die wundervollen langen Haare. Er konnte nichts entdecken, was ihn an Ruth erinnerte.
„He, Kumpel, gaff sie nicht so an!“, mahnte Mike.
Kyle schreckte auf und stellte verlegen fest, dass er sie tatsächlich höchst unhöflich angestarrt hatte.
Sie selbst erlöste ihn aus seiner Verlegenheit. „Schon gut. Ich bin daran gewöhnt, mit der berühmten Ruth Taylor Hamilton verglichen zu werden. Und ich habe mich schon vor langer Zeit mit der Enttäuschung in den Augen der Leute abgefunden. Die Farbe meiner Haare und Augen stammt von meinem Vater, und ich bin eindeutig nicht der heldenhafte Typ. Haben Sie mich nicht sogar für eine Bibliothekarin gehalten?“
Er stöhnte. „Mein aufrichtiges Beileid für Ihren Verlust, Miss Hamilton. Ihre Mutter war eine bemerkenswerte Frau. Ich entschuldige mich, falls ich Sie beleidigt haben sollte, und … Ist das Ihr Telefon?“
Lili holte ihr Handy aus der Tasche und prüfte das Display. Ein Immobilienmakler hatte ihr eine SMS geschickt. „Entschuldige, Mike, das ist wichtig. Warum erzählst du Kyle nicht von deiner verrückten Idee? Ich brauche nicht lange.“ Und mit diesen Worten ging
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