Abenteurer sucht Frau fürs Leben
sie wieder hinaus auf die Terrasse.
Vor einem Monat hatte sie sich schweren Herzens dazu entschlossen, ihr Haus zur Vermietung anzubieten. Sie wohnte zwar schon ihr ganzes Leben darin, aber eine eingehende Prüfung ihrer Finanzlage hatte es notwendig gemacht. Seitdem wurde sie von Anfragen von Immobilienmaklern aus der Umgebung überschwemmt. Diesmal war eine Familie mit vier kleinen Kindern daran interessiert, das Anwesen für die nächsten zwölf Monate zu mieten. Die Sache hatte allerdings einen Haken: Der Umzug musste bereits in sechs Wochen erfolgen. Die Frage war nun, ob Lili so kurzfristig ausziehen konnte.
Sie zögerte. Sie brauchte die Mieteinnahmen dringend, um die Kunstakademie besuchen zu können, aber sechs Wochen reichten kaum aus, um das riesige Gebäude zu räumen. Noch dazu hätte sie ihr Zuhause ausgerechnet kurz vor Weihnachten verlassen müssen.
Sie presste sich Daumen und Zeigefinger an die Nasenwurzel und entschied sich dagegen. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, tippte sie hastig eine abschlägige Antwort ein und schickte die SMS ab.
Nächstes Jahr, nahm sich Lili vor. Sie wollte sich gleich im Januar darum kümmern. Bis dahin musste sie einfach viele Bilder verkaufen und noch mehr Stunden als Buchhalterin arbeiten. Ich kann es schaffen!
Jemand trat zu ihr und lehnte sich wenige Schritte entfernt an die Metallbrüstung.
Es war Kyle.
Sie drehte sich halb zu ihm um und wollte ihm gerade erklären, dass sie unmöglich an seinem Projekt mitarbeiten konnte, doch da begann schon er zu sprechen.
„Vor zwei Monaten habe ich eine ganz besondere Patientin verloren – ein kleines Mädchen. Lakshimi war die Tochter meiner Freunde, die das Feldkrankenhaus leiten. Die meisten in der Gemeinschaft sind Buddhisten. Sie weigern sich, lebende Kreaturen zu töten. Das bezieht sich auch auf die Rudel wilder Hunde, die auf Nahrungssuche durch die Dörfer ziehen. Lakshimi war aufgeweckt und fröhlich wie eine typische Fünfjährige – und sie hat Hunde geliebt.“
Er benutzte den gleichen Tonfall wie zuvor in der Bar, als er von ihrer wahren Identität erfahren hatte. Er sprach ernst, aufrichtig, eindringlich und fesselnd. Sie wollte nicht unterbrechen.
Den Blick auf den Fluss geheftet, fuhr er fort: „Wir wissen nicht, wann genau sie von einem tollwütigen Hund gebissen wurde. Als die ersten Symptome auftraten, war es zu spät, um sie zu retten. Wäre die Kleine geimpft gewesen, hätte sie überlebt.“ Er wandte sich Lili zu und sah ihr direkt ins Gesicht. „Ich muss entscheiden, wer geimpft wird und wer nicht, weil einfach nicht genug Serum für alle da ist.“
Er schaute über die Schulter in die Bar mit all den gesunden, energiegeladenen Leuten, die ihren jeweiligen Interessen nachgingen. „Deswegen bin ich heute hier. Deshalb habe ich eingewilligt, dieses Buch zu schreiben. Es geht nicht um mich , es geht um die Patienten und ihre Bedürfnisse. Jeder Penny fließt in die Stiftung.“
„Und dieses zweite Buch soll die Kosten für die benötigten Impfstoffe einbringen?“
Kyle nickte. „Das erste Buch hat die Kosten für den Bau und die Ausrüstung einer kompletten Klinik eingebracht, und die Taschenbuchausgabe dürfte die Gehälter für die nächsten Jahre garantieren. Dafür habe ich Mike und dem Fernsehsender zu danken. Ich selbst bin nur ein kleiner Mediziner. Ich mag es gern schlicht und einfach.“
Lili zuckte ein wenig zusammen, als sich seine kalten, langen Finger um ihre Hand schlossen, die sie auf die Brüstung gelegt hatte.
„Mike meint, dass Sie mir am besten helfen können. Meine Patienten brauchen diese Medikamente. Wenn ich mich auf die Knie werfen und Sie um Hilfe anflehen muss, werde ich es tun! Ich kann nicht in diese Klinik zurückkehren und allen sagen, dass andere Kinder ebenso sterben müssen wie das kleine Mädchen!“
Er rückte näher zu ihr, bis sie einander direkt gegenüberstanden, und strich mit dem Daumen verführerisch über ihr Handgelenk. „Ich habe das Gefühl, dass Sie einen Mann gern betteln lassen. Stimmt’s?“
Ein einziger Blick in diese braun-grünen Augen mit dem Kranz aus Lachfältchen erweichte ihr Herz. Sie schmunzelte, obwohl sie es gar nicht wollte. „Das hängt ziemlich davon ab, worum er bittet.“
„Um sehr viel, ehrlich gesagt. Anscheinend habe ich nur drei Wochen Zeit, um dieses Buch zu entwerfen, damit es wie geplant im März veröffentlicht werden kann. Ich brauche verdammt viel Hilfe. Zehn Jahre sind vergangen, seitdem
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