Abenteurer sucht Frau fürs Leben
sein sollen, das lacht und spielt und das Leben genießt. Ich war ihre Tochter – nicht diese Kinder!“ Ihre Schultern hoben sich, als sie tief Luft holte. „Kannst du verstehen, wie schuldig ich mich deswegen fühle? Wie erbärmlich ich mir vorkomme? Diese Kinder mussten so viel leiden, da haben sie doch etwas Glück verdient. Ich habe kein Recht, neidisch darauf zu sein.“
Er schloss sie in die Arme und drückte sie an seine breite Brust. „Doch, das hast du! Du wolltest deine Mutter bei dir haben, aber sie war nicht für dich da, als du sie gebraucht hast. Du hattest ebenso Glück verdient wie die anderen Kinder. Immerhin kannst du dich jetzt auf den Rest deines Lebens freuen. Und du hast eine Menge Briefe zu lesen. Du schaffst es, das weiß ich.“
„Tu das nicht, Kyle, bitte. Mach es nicht noch schlimmer.“ Ein Zittern in ihrer Stimme verriet ihre Panik.
„Es wird alles gut“, beschwichtigte er sanft und mitfühlend, „und falls du dich das gerade fragst: Du wirst mich nicht so schnell wieder los. Keine Chance. Gewöhn dich lieber an den Gedanken. Also, nachdem das geklärt ist, möchte ich gern hören, was in dir vorgeht. Sag mir, warum du geweint hast, als ich hereingekommen bin. Meinetwegen ? Habe ich mich so mies verhalten?“
„Nein. Es liegt nicht an dir. Du hast immer klargestellt, dass du so schnell wie möglich nach Nepal zurückwillst. Deine Arbeit dort ist wichtig. Du wirst dort gebraucht.“ Lili seufzte. „Das wusste ich vom ersten Tag an. Ich bin diejenige, die einen Fehler gemacht hat, indem ich gehofft habe, dass ich deine Einstellung ändern könnte.“
Sie hob seinen Arm von ihren Schultern und drehte sich zu ihm um. Ihre Nasenspitzen berührten sich beinahe. Sie nahm sein Gesicht zwischen die Hände und blickte ihm in die Augen.
„Ich liebe mein Leben und meine Arbeit hier im Dorf. Ich möchte dieses Leben mit einem besonderen Menschen teilen, aber diese Person muss sich selbst wünschen, hier zu sein. Es wäre total unfair, das von dir zu erwarten. Ich bin egoistisch. Das weiß ich. Ich will jeden Morgen mit demselben Mann aufwachen, und zwar im selben Bett. Deswegen wollte ich, dass du wieder gehst, bevor …“
Kyle beugte sich zu ihr, bis er ihre Stirn mit seiner berührte. „Bevor was ?“
„Bevor wir einander Versprechungen abgeben und Verpflichtungen eingehen, die wir zwar einhalten wollen, aber von denen wir eigentlich wissen, dass wir es nicht können.“
Er seufzte tief, wich langsam zurück und strich ihr mit einer Hand durch die seidigen Locken. „Kommt diese Weisheit von dem ruhigen Leben auf dem Dorf hier? In Nepal würde man dich jemanden nennen, der keine Angst hat, sich der Wahrheit zu stellen, so schwer sie auch sein mag – eine Schamanin oder Medizinfrau. Aber selbst Medizinmänner können nur andere Leute heilen und nicht sich selbst!“ Er legte ihr die Hand an die Wange. „Nicht viele Leute haben mich so schnell kennengelernt wie du. Ich habe den Eindruck, dass du mich in- und auswendig kennst, und nicht mal von meiner eigenen Familie kann ich das behaupten. Das ist eine seltene Gabe.“
Sie lächelte. „Es ist so leicht, dich zu mögen.“ So leicht, dich zu lieben. Sie musste dringend das Thema wechseln. „Jetzt, da ich die Fotos für dich ausgesucht habe, muss ich dir etwas zeigen, das ich gemalt habe. Es soll ein Geschenk für deine Mutter sein.“
Sie hob ein Blatt vom Fußboden neben sich auf und hielt es ihm hin. Es war eine Aquarellzeichnung von Frühlingsblumen. Sie sahen so echt aus, dass Kyle beinahe glaubte, den lieblichen Duft zu riechen.
Mit leiser und trauriger Stimme sagte Lili: „Dad haben meine Blumenbilder nie gefallen. Sie waren zu kleinformatig und viel zu kommerziell für seinen Geschmack. Nicht die Art von Arbeit, die ein richtiger Künstler anfertigen würde. Deswegen wollte er, dass ich die Kunstakademie besuche – damit ich lerne, eine echte Malerin zu werden, und diesen dilettantischen Kram hinter mir lasse.“
„Du glaubst doch nicht wirklich, dass das stimmt, oder?“ Verwundert schüttelte er den Kopf. „Du bist talentiert, und es ist offensichtlich, wie sehr dir Malerei liegt. Ich bin mir sicher, dass meine Mutter dieses Original sehr zu schätzen weiß.“ Er küsste ihre Stirn. „Du bist ein ganz besonderer und wundervoller Mensch.“
„Kyle? Wegen vorhin …“
Das Telefon im Flur klingelte.
„Was war vorhin ?“, hakte er nach. Um sie von dem Anruf abzulenken, ließ er die Lippen über ihren
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