Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
das Flattern und Schnattern von Enten gehört.
    Sie wurde langsamer. Komisch, dass sie so etwas sofort aus dem Rhythmus brachte.
    Maries Lunge war immer noch empfindlich. Obwohl sie so viel lief, hatte sie nun Seitenstechen. Aber Marie behielt die Kontrolle über ihren Körper. Sie atmete tief ein, behielt die Luft in der Lunge und presste die Lippen fest aufeinander. Sie durfte nicht ausatmen. Der Sauerstoff musste ins Blut wechseln können. Sie trabte ruhig weiter. Nicht stehen bleiben.
    Erst als sie es nicht mehr aushielt, ließ sie die verbrauchte Luft langsam aus der Lunge. Dann das Ganze noch mal. Nach Maries Erfahrung brauchte es mindestens drei Durchgänge, bis die aufgeregte Milz sich beruhigte. Dann war das Seitenstechen weg.
    Das waren keine Jäger.
    Spaziergänger. Sie bewegten sich ohne Eile.
    Marie fand ihren Rhythmus wieder. Sie atmete freier. Sie blickte auf den Fluss. Er lag wie immer da. Träge. Dunkel. Manchmal sah man eine Luftblase. Es gab hier große Fische. Marie hatte schon eine Schwanzflosse und einen Kopf an der Wasseroberfläche entdeckt. Aber Angler gab es keine. Zum Glück. Marie wollte nicht gestört werden und niemanden stören.
    Ein Mann und eine Frau.
    Sie lachten. Einmal blieben sie stehen. Marie konnte sehen, dass der Mann den rechten Arm ausstreckte und die Frau auf etwas am anderen Flussufer aufmerksam machte. Sie schienen sich dabei sehr nahe zu kommen. Dann gingen sie weiter. Der Mann legte seinen Arm um die Schulter der Frau; sie schmiegte sich an ihren Begleiter.
    Wahrscheinlich hatten sie die Joggerin noch nicht bemerkt. Am liebsten hätte Marie auf sich aufmerksam gemacht; es wäre ihr peinlich, die beiden in einem innigen Moment, in dem sie sich unbeobachtet fühlten, aufzuschrecken.
    Sie kamen immer näher. Marie wich etwas nach rechts aus, um ihnen Platz zu machen. Komisch, aber sie hatten sie immer noch nicht gesehen. Sie waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Dabei müssten sie Maries Schritte eigentlich schon hören können.
    Marie hustete. Die beiden schauten erschrocken auf und blieben stehen. Der Mann nahm die Hand der Frau. Marie spürte einen winzigen Moment den Stachel des Neides: Wie schön musste es sein, wenn man sich so nahe war. Bei ihr und Robert war das lange her. Und es würde nie wieder so sein.
    Sie waren nun fast auf gleicher Höhe.
    Auf dem Land grüßt man sich, wenn man sich begegnet, auch wenn man sich nicht kennt.
    Maries Stimme krächzte, das kam vom langen Laufen. »Tag.«
    Der Mann nickte nur, die Frau sagte laut: »Guten Tag.«
    Marie hatte sie schon irgendwo mal gesehen. Recht klein, schlank, eine etwas altmodische Lockenfrisur. Der Mann hatte ein Dutzendgesicht, war mittelgroß, unauffällig, eigentlich nicht attraktiv genug für seine Begleiterin.
    Marie war schon fast an dem verliebten Paar vorbei. Da geschah es.
    Es durchfuhr sie wie ein Stromschlag. Plötzlich war alles wieder da. Alles. Die Kinderleiche im Teich. Das Fahrrad im Kofferraum. Die Mickey-Mouse-Maske. Die Leichenspürhunde. Der schwarze Van mit den getönten Scheiben.
    Maries Atmung spielte verrückt. Sie bekam keine Luft mehr. Sie wollte stehen bleiben. Aber das konnte sie nicht. Sie musste weiter. Sie war auf der Flucht.
    Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Trotzdem beschleunigte sie. Sie stolperte. Fing sich. Lief weiter. Fast im Sprint. Dann wurde ihr schwarz vor Augen. Sie musste aufgeben.
    Sie stand lange da. Eine kleine Ewigkeit. Den Oberkörper gebeugt, die ausgestreckten Arme auf die Knie gestützt.
    Sie versuchte wieder ruhiger zu atmen. Ihr Gehirn bekam keinen Sauerstoff mehr.
    Ihre Bronchien begannen zu rasseln. Sie musste tiefer atmen, den Lungen Zeit für den Austausch lassen. Sie richtete sich langsam auf. Der Rücken schmerzte, das hatte sie sonst beim Laufen nie. Sie war danach immer total entspannt, ihre Muskulatur wurde weich und geschmeidig.
    Marie ließ ihren Kopf kreisen. Ihr Herzschlag pegelte sich auf die Lauffrequenz ein. Der Schmerz ließ nach. Das Gehirn wurde wieder versorgt.
    Was war geschehen?
    Marie legte die Hand über die Augen. Der Schweiß brannte. Plötzlich störte sie auch die Sonne, dabei war es an diesem Nachmittag bewölkt.
    Der Freund. Sie hatte ihn wiedererkannt.
    Woran nur? An der schwarzen Jacke? Etwas in der Art trug heutzutage fast jeder Mann in seinem Alter.
    Nein, es war etwas anderes. Seine Körperhaltung, die Art, wie er ging. Unverkennbar.
    Der Freund.
    Der Freund war zurück.
    Marie überlegte. Sie durfte jetzt auf

Weitere Kostenlose Bücher