Abgebrezelt
wieder was, was heute einfach so ungebremst aus mir rauspurzelt.
»Hmmm, kann ich verstehen. Wir müssen uns was einfallen lassen!«, meint Caro.
»Genau, wir brauchen einen Schönheits-Schlachtplan! Wir müssen dich so richtig aufbrezeln!« Simone strotzt vor Tatendrang.
»Daran hatte ich auch schon gedacht«, gebe ich zu.
»Also, du musst auf jeden Fall zum Friseur«, meint Caro, »am besten gehst du zu Salvatore.« Salvatore ist ihr italienischer Friseur, der nur einen einzigen Stuhl in einem riesigen, komplett verspiegelten Raum hat. Ein Haarschnitt allein kostet bei Salvatore über 100 Euro, Strähnchen sind unbezahlbar, zumindest für mich.
»Zeig mal deine Nägel!«, fordert mich Simone auf. Die beiden starren auf meine Hände, die ich über den Tisch halte, Caro verdreht die Augen, Simone schüttelt den Kopf
»Ich glaube, da muss mal wieder ein Profi ran.«
Simone schaut mir ins Gesicht. »Und deine Augenbrauen könnten auch mal wieder eine Korrektur gebrauchen!« Caro nickt und setzt noch einen drauf: »Deine Haut sieht trocken aus! Was benutzt du denn im Moment für eine Pflege? Anti-Aging?«
»Und hast du einen Fitnessplan?«, fragt Simone, »ein paar Kilos weniger wären vielleicht auch nicht schlecht.«
Die beiden sind so auf ihrem »Auf-mir-Rumhack-Trip«, dass sie gar nicht auf meine Antwort warten, sondern aufgeregt jeden noch so kleinen Makel, von dem ich noch gar nicht wusste, dass ich ihn habe, aufzudecken.
»Was ist mit deiner Kosmetikerin? Ist die im Urlaub?«
»Wann warst du zuletzt bei der Zahnreinigung?«
Ich fühle mich, als säße ich vor der Topmodel -Jury, die mir gerade eröffnet, dass sie »leider kein Foto« für mich hat. Mir war schon klar, dass ich was tun muss, aber muss es denn gleich so viel sein? Ich bin gekränkt, weil ich mir doch irgendwie erhofft habe, dass Caro und Simone mir sagen, dass ich doch toll aussehe und Jens sich glücklich schätzen kann, eine Frau wie mich überhaupt zu kennen.
»Was ist denn mit Botox?«, fragt Caro jetzt, und ausnahmsweise setzt Simone nicht noch einen drauf, sondern guckt mich an. Die beiden schweigen.
»Botox? Warum denn?«
»Na ja … da so um die Augen und …!«
Ich starre abwechselnd Simone und Caro an.
Also, ich weiß nicht, ob ich … ich meine, das ist ja schon ein Eingriff, der einen irgendwie verändert. Außerdem ist das eh viel zu teuer. Habt ihr eine Ahnung, was das kostet?«
»Vierhundert Euro!«, kommt es von Caro wie aus der Pistole geschossen. Ein bisschen zu schnell für meine Begriffe. Ich schaue mir ihre Stirn etwas genauer an und sehe: nichts! Nicht der Hauch einer Falte. Alles glatt wie ein Babypopo. Caro bemerkt meinen Blick, und ich frage sie: »Hast du etwa …?«
»Klar, schon oft. Ist wirklich super, und so sehr kann es mich nicht verändert haben, sonst wär es dir doch wohl aufgefallen, oder?« Sie sagt das so, als hätte sie lediglich einen neuen Fitnessdrink ausprobiert, der ihr ganz gut geschmeckt hat. Simone wirkt im Gegensatz zu mir nicht erstaunt, anscheinend hat sie es gewusst. Es stinkt mir, dass Caro immer so tut, als wäre ihre Schönheit seit jeher Natur pur. Ich hätte mich das eine oder andere Mal besser gefühlt, wenn ich das gewusst hätte. Aber am meisten ärgere ich mich wahrscheinlich über meine eigene Naivität. Manchmal bin ich einfach eine ignorante Vollidiotin.
»Simone, du auch?«, frage ich. Sie lacht!
»Neee, erstens habe ich fürchterliche Angst vor Spritzen, und zweitens kann ich meine paar Linien auf der Stirn noch mit Puder und Make-up ausgleichen.« Irgendwie bin ich erleichtert, dass zumindest Simone mir nichts verheimlicht hat.
»Da ist aber wohl mehr als eine Schicht fällig, oder?«, lacht Caro. »Also, wie gesagt, ich kann das nur wärmstens empfehlen.«
»Ich kann mir das aber leider nicht leisten, liebe Caro.« An meiner Stimme merkt man garantiert, dass ich ein bisschen angefressen bin. Caro verdient als Assistentin der Geschäftsführung eines Immobilienunternehmens zwar nicht wesentlich mehr als ich, hat aber sehr wohlhabende Eltern, die sie großzügig unterstützen, indem sie ihr zum Beispiel mal eben eine Eigentumswohnung gekauft haben.
»Hmm … «, überlegt sie, »und was ist, wenn du deinen Ex doch mal fragst?«
»Roland? Niemals! Ich lass mir doch nicht von einem Exfreund Botox spritzen.«
Roland war der Mann vor Jens. Mit ihm war ich sieben Monate zusammen. Das mit Roland war keine Kaminfeuer-, sondern viel mehr eine Teelicht-Beziehung.
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