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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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ja stocksauer auf mich ist, und ich lege schnell auf. Mit einer Verspätung würde ich nur Öl ins Feuer gießen und könnte mir von ihr mal wieder eine Moralpredigt über Disziplinlosigkeit anhören. Also schicke ich Felix eine SMS, in der steht, dass ich mich nicht gut fühle und später komme, packe mir eine Anti-Stress-Maske auf Gesicht und Dekolleté und mache mir einen Tee. Ich schlurfe zurück ins Schlafzimmer, lege mich auf meine Matratze und die beiden benutzten Teebeutel auf meine Augen. Die Schlechte-Gewissen-Zwerge, die mir lautstark vorwerfen wollen, dass ich schon wieder zu spät ins Büro gehe, trickse ich ganz einfach aus, indem ich direkt einschlafe. Um neun bekomme ich eine SMS:
Chef nicht gerade begeistert. Wünscht trotzdem gute Besserung. Auch von mir, kleine Meerjungfrau. LG Felix
    Begeistert muss er ja auch nicht sein. Immerhin fühle ich mich schon wesentlich besser. Ich stehe auf und wage einen erneuten Blick in den Spiegel. Da ich die letzten beiden Stunden ohne Kissen geschlafen habe, sind die Furchen verschwunden und auch keine neuen hinzugekommen, meine Haut hat wieder etwas Farbe bekommen, die Augen sind fast abgeschwollen. Nur meine Stirn hat sich immer noch nicht entkraust. Ich absolviere mein Pflegeprogramm besonders gründlich und trage zum Abschluss noch das unverschämt teure Promordiale Cell Defense Anti Age Serum gegen die ersten Zeichen der Zeit auf. Obwohl ich mich schon frage, ob das bei mir wirklich erst die ersten Zeichen sind oder ob die Uhr schon so gut wie abgelaufen ist.
    Ich mache mir einen Kaffee und trage schweren Herzens die sechs großen Weinschorlen, den Gurkensalat und den Apfel, den ich gestern zum Mittagessen hatte, auf der Kilocoach-Seite ein. Das war kein guter Start in mein neues schöneres Leben. Es erscheint eine Sprechblase: » Kilocoach meint: Alkohol sind leere Kalorien. Hier kann man gut sparen« , und über die Hälfte meines Kalorienkuchens von gestern färbt sich rot, ich liege 380 satte Kalorien über meinem Soll. Leere Kalorien! Von wegen. Wenn die leer wären, würde ich sie ja nicht direkt am nächsten Tag auf meinen Hüften sehen. Und gespart habe ich gestern auch nicht, denn bei 4,50 € für eine große Weinschorle gehört Salon Schmitz nicht gerade zu den Discountern unter den Kölner Kneipen.
    Es klingelt. Vor der Tür steht ein unauffälliger junger Mann, vielleicht Ende 20, mit einem Klemmbrett in der Hand und einer Baseballkappe mit dem Schriftzug der New York Yankees auf dem Kopf.
    »Guten Tag, Frau Kronbach. Haben Sie eine Sekunde Zeit? Wir machen eine Umfrage zum Thema ›Unser Veedel muss schöner werden‹. Wir sammeln Anregungen und Ideen der Bürger, wie man das Stadtviertel, in dem sie leben, schöner machen könnte, um die Ergebnisse dann dem Stadtrat vorzulegen. Haben Sie vielleicht einen Vorschlag?«
    »Ja. Abreißen und noch mal bauen.«
    Ich schlage die Tür zu und gehe in Richtung Laptop, als es wieder klingelt. Vor der Tür steht noch immer der junge Mann mit dem Klemmbrett.
    »Wir denken dabei eher an konkrete Vorschläge wie ›mehr grün‹ oder ›mehr Spielplätze‹.«
    »Verstehe. Ein Fitnessstudio wäre nett hier ums Eck!«
    »Ah ja, ein Fitnessstudio, das hatte ich bisher noch nicht«, der junge Mann lacht und notiert meinen Vorschlag. Sieht richtig nett aus, der Typ, wenn er lacht. »Dann bräuchte ich noch ein paar Infos über Sie. Wie viele Personen wohnen denn in Ihrem Haushalt?«
    »Ich wohne hier ganz alleine!«, sage ich ein bisschen lasziv, aber der Typ würdigt mich keines Blickes. Er kreuzt ein Kästchen an, hinter dem »Singlehaushalt« steht. Was soll das denn? Nur weil man alleine wohnt, muss man doch nicht automatisch Single sein. Das sage ich ihm auch.
    »Dann leben Sie also in einer Beziehung?«
    »Nein, aber … «
    Er schaut mich ein bisschen mitleidig an. »Aber dann ist doch alles richtig so, Frau Kronberg.«
    »Kronbach, ich heiße Kronbach.«
    »Äh natürlich, Frau Kronbach. Und jetzt zum Alter.«
    Sein Kugelschreiber wandert zu dem Kästchen hinter dem »40–45« steht. Das gibt’s doch wohl nicht.
    »Zweiundvierzig!«, sage ich.
    »Alles klar, wunderbar!«
    Der kann doch nicht ernsthaft glauben, dass ich 42 Jahre alt bin. Doch, kann er offenbar schon.
    »Entschuldigen Sie bitte, aber ich hab mich versprochen, ich bin sechsundvierzig.«
    »Kein Problem! Dann streich ich das hier … «
    Er streicht tatsächlich das Kästchen mit der 40–45 durch und macht ein Kreuz bei 46–50. Ich

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