Abgebrezelt
absolut nicht in Ordnung gewesen ist, dass ich gemein und unfair war. Ein paar Minuten später haben die Zwerge mich so weit. Ich schnappe mir mein Telefon und rufe Julia an. Allerdings auf dem Festnetz, weil Julia kein Handy hat. Sie verweigert sich nicht nur der Kosmetikindustrie, sondern auch der Telekommunikationsbranche. Und wer muss darunter leiden? Ich natürlich! Es klingelt ein paarmal, und ihr Anrufbeantworter, auch aus den 80ern, springt knackend und rauschend an. Eigentlich müsste sie doch schon wieder zu Hause sein.
»Julchen! Es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Ehrlich! Lass uns bitte noch mal drüber reden! Ich zahl auch das Popcorn im Kino … ich weiß doch, dass du zu Hause bist. Jetzt geh doch bitte ran!«, bettle ich. Ich warte kurz, aber nichts passiert. »Meld dich doch bitte, wenn du das hier abhörst.« Ich versuche es immer wieder bei ihr, alle zehn Minuten spreche ich eine neue Nachricht auf ihren Anrufbeantworter, aber Julia bleibt stur.
Während ich darauf warte, dass sie sich vielleicht doch noch meldet, schweift mein Blick durch mein Wohn- und Schlafzimmer. Das Bett hab ich verkauft, als ich mir unbedingt die sündhaft teuren schwarzen Stiefel kaufen wollte, das Bild ging für das letzte Bleaching beim Zahnarzt drauf, und das Sofa musste für das Wellness-Wochenende mit Caro und Simone dran glauben. Ich muss sagen, die Stiefel waren echt die geilsten Stiefel, die ich je hatte. Und von so einem tollen Wellness-Wochenende hat man doch viel länger was, als von einer Couch. Die ist doch ruck, zuck durchgesessen.
Bei dem Gedanken an das Wellness-Wochenende greife ich zum Telefon. Ich hab keine Lust, den ganzen Abend die nackte Wand anzustarren. Fürs Kino ist es jetzt auch schon zu spät – Vicky und Christina müssen wohl noch länger ohne mich auskommen. Stattdessen rufe ich Caro und Simone an und frage die beiden, ob sie spontan Lust haben, mit mir im Salon Schmitz eine kalorienarme Weinschorle zu trinken. Dann rufe ich zum zehnten Mal bei Julia an, sage ihr, wo ich gleich bin und dass sie ja nachkommen kann, wenn sie sich beruhigt hat.
SECHS Tussentalk
Als ich in der Kneipe ankomme, sitzt Caro schon am Tisch, vor ihr eine große Weißweinschorle. Caro sieht wie immer sehr gut aus, ihre langen blonden Haare glänzen im Licht der Deckenlampe, das Make-up ist wie immer perfekt, genau wie ihr Outfit. Auch ich habe mich ein bisschen in Schale geschmissen, was ich immer tue, wenn ich mich mit Caro und Simone verabredet habe. Es kommt nicht oft vor, dass wir uns unter der Woche treffen, da wir alle von einem Termin zum anderen hetzen: Job, Kosmetik, Sport, Friseur, Sauna, Männer usw. Leider bleibt da für solche Mädelsabende nicht mehr viel Gelegenheit, und es ist ein großer Zufall, dass wir heute Abend alle drei Zeit haben. Caro tippt gerade eine SMS in ihr rosafarbenes Handy.
»Hi, Caro!«
»Hi, Süße! Bin gleich bei dir«, begrüßt sie mich, ohne den Blick vom Display ihres Telefons zu heben.
Ich setze mich ihr gegenüber auf einen der dunkelbraunen Lederstühle und schaue mich um, während Caro immer noch auf ihr Handy einhackt, wie ein halb verhungertes Huhn auf ein Weizenkorn. Die Kneipe ist noch fast leer, lediglich an einem Ecktisch sitzen zwei Frauen mit zwei leeren Milchkaffeegläsern vor sich. An der Bar liest ein Mann Zeitung. Die Wände der Kneipe sind aus roten Backsteinen und sollen wohl ein bisschen New-York-Style verbreiten. Auf der Bar stehen riesige Vasen mit exotischen Papageienblumen, und auf einem Mauervorsprung betet eine weibliche Ikone in einem hellblau-goldenen Gewand wahrscheinlich für guten Umsatz. Der Salon Schmitz ist echt schön, zumindest was die Einrichtung angeht. Die Leute, die hier am Abend ihren Prosecco schlürfen, sind allerdings gerne mal ein bisschen wichtig und alle mindestens in den Medien beschäftigt. Außerdem muss man sich hier ständig mit sehr gut aussehenden und vor allem jungen Frauen messen. Warum es dennoch Caros Lieblingsladen ist, habe ich bis heute nicht herausfinden können.
»Sag mal, tippst du Schätzings Schwarm in dein Handy?«, frage ich Caro, die immer noch an ihrer SMS schreibt.
»Die wollen mir für vierzig Stundenkilometer zweihundertfünfzig Euro abknöpfen! Das waren allerhöchstens dreißig zu schnell. Das lass ich in keinem Fall auf mir sitzen, die verklag ich!«
»Vierzig Stundenkilometer? Da kannst du doch noch froh sein mit zweihundertfünfzig Euro, normalerweise ist da doch sofort der
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