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Abgebrezelt

Abgebrezelt

Titel: Abgebrezelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Schmidt
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Kleine Flamme, brennt nicht lange und auch nicht sehr heiß. Nach drei Monaten hat er angefangen von Hochzeit zu sprechen, von Kindern und davon, dass er unbedingt meine Eltern kennenlernen möchte. Aber stattdessen lernte ich eines Abends Jens kennen und war hin und weg von diesem unkonventionellen Mann, der mit Hochzeit und Kindern ebenso wenig am Hut hatte wie ich. Roland hat uns bei einem Kuss erwischt, war sofort am Boden zerstört, und die Sache war damit beendet. Natürlich hatte ich ein schlechtes Gewissen, aber letztendlich war es wahrscheinlich besser so. Von wegen Ende mit Schrecken und so.
    Roland ist mittlerweile Dermatologe, der auch Schönheitsbehandlungen durchführt, und lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in einem schicken Haus in der Kölner Vorstadt. Seine Kinder gehen natürlich auf die englische Schule, seine attraktive Frau fährt einen fetten bayerischen Sportwagen, und die Familie verbringt die Sommerferien in ihrem Haus in Südfrankreich. Manchmal stelle ich mir vor, dass ich jetzt in diesem Haus wohnen könnte, meine intelligenten und wohlgeratenen Kinder mit meinem Sportwagen in die englische Schule bringen würde, um mir im Anschluss was Schönes zum Anziehen zu kaufen. Aber nur manchmal und immer nur so lange, bis ich mir vorstelle, mit dem langweiligen und spießigen Roland jeden verdammten Abend meines Lebens verbringen zu müssen.
    »Wieso nicht?« Simone und Caro schauen mich fragend an.
    »Wieso nicht was?« Meine Gedanken sind noch bei dem Leben, das ich hätte führen können.
    »Roland! Botox! Erde an Jessica! Hallo!« Caro fuchtelt mir mit ihrer fast leeren Weinschorle vor der Nase rum.
    »Weil es nicht nur mein Ex ist, sondern weil ich ihn auch noch mit Jens betrogen habe. Das ist moralisch doch total verwerflich.«
    »Das war doch nur ein Kuss!«, wirft Simone ein.
    »Ja, aber der hat ja – wie wir alle wissen – völlig ausgereicht.«
    »Moralisch verwerflich? Mein Gott, der Typ ist ein totaler Spießer gewesen, und du hast dich von ihm getrennt, weil du einen überhaupt nicht spießigen Mann getroffen hast, der wesentlich besser aussah und ’ne Granate im Bett war. Findest du wirklich, dass das moralisch verwerflich ist? Du bist doch nicht Mutter Teresa.«
    »Ja schon, aber ich hätte ihm das auch sagen können, bevor ich mit Jens rumgemacht hab und er mich dabei erwischte.«
    Caro seufzt. »Scheint dir ja doch nicht so wichtig zu sein, die Sache mit Jens, Mother T.« Sie weiß natürlich genau, wo sie mich packen kann. »Und das ist doch jetzt auch schon Jahre her, Jessi. Also ich würde ihn fragen, ob er das macht. Das wäre bestimmt wesentlich günstiger als bei meinem plastischen Chirurgen.«
    »Also, ich finde auch«, meint Simone, »wer schön sein will, muss eben leiden, auch moralisch, und mehr als nein sagen kann er doch nicht. Du musst ihm ja nicht sagen, dass du das wegen Jens machst.«
    »Sag mal, spinnst du? Ich werde das doch nie wegen Jens machen. Wenn ich mir Botox spritzen lasse, dann nur, weil ich das will.«
    Caro und Simone nicken amüsiert. In dieser Sekunde steht der attraktive Kellner wieder an unserem Tisch und fragt, ob es noch drei Weinschorlen sein dürfen. Wir nicken synchron.
    »Vielleicht auch noch was zu essen für die Damen?«, fragt er und lächelt dabei in die Runde. Als er das Entsetzen auf unseren Gesichtern sieht, verlässt er mit einem »Also nur drei Weinschorlen dann« wieder den Tisch.

SIEBEN  Leere Kalorien
    Die sechs großen Weinschorlen auf leeren Magen und nur vier Stunden Schlaf haben einen schalen Geschmack in meinem Mund und einen dumpfen Schmerz in meinem Kopf hinterlassen. Ich widerstehe der Versuchung, auf Dusche und Haarkur zu verzichten und einfach mal länger zu schlafen und quäle mich aus dem Bett. Als ich ins Bad komme und in den Spiegel schaue, bin ich entsetzt. Das Kissen hat tiefe Furchen auf meiner Wange hinterlassen, die Augen sind geschwollen, meine Haut aschfahl, das Dekolleté ist vollkommen zerknittert und ähnelt dem einer solariumsüchtigen, kettenrauchenden 55-Jährigen. Ich sehe schlimmer aus als je zuvor! So kann ich unmöglich ins Büro gehen. Ich fühl mich schrecklich und beschließe, heute später zu Interpool zu gehen. Es steht sowieso nichts Besonderes an, und ein paar Stunden Schlaf werden mir und meinem Aussehen garantiert guttun.
    Weil um diese Zeit noch keiner im Büro ist, wähle ich Julias Nummer zu Hause. Bevor ich die letzte Zahl gedrückt habe, fällt mir wieder ein, dass sie

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