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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hackenberg
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guten Voraussetzungen angesichts der Tatsache, dass die Besprechung bereits seit 20 Minuten in vollem Gange war, als Kati in den Konferenzraum zurückkehrte. Dort wurde sie dann auch prompt von einem bedrohlichen Knurren in Empfang genommen: Chantals Hund, ein unsympathischer Mops namens »Kongo«, dessen Halsbänder stets farblich passend zur Handtasche seines Frauchens ausgewählt wurden, schoss unter dem Tisch hervor und bleckte die Zähne.
    »Komm zurück, Schatz, ganz ruhig, es ist alles in Ordnung.« Diesen zuckersüßen Ton reservierte die Chefredakteurin der Herzwoche ausschließlich für ihren Hund. Klein, dunkelhaarig und drahtig, saß sie in einem knallroten Kostüm am Kopfende des Tisches und schenkte Kati so lange keine Beachtung, bis Kongo wieder schwer atmend zu ihr zurückgetapst war. »Brav, Liebling, und jetzt ab ins Körbchen.« Sie tätschelte dem Tier den Hals, hob den Kopf und warf ihrer unpünktlichen Mitarbeiterin einen bitterbösen Blick zu. »Schön, dass du es doch noch einrichten konntest«, sagte sie eisig. »Ich hoffe, unsere kleine Routine-Veranstaltung hier hält dich nicht allzu lange davon ab, deine privaten Gespräche fortzuführen.«
    Woher wusste Chantal das nun wieder? Kati warf Rebekka einen fragenden Blick zu, doch die zuckte nur mit den Achseln. Offensichtlich waren sie vorhin auf dem Flur doch zu laut gewesen. Es war ein immer wiederkehrendes Phänomen, dass Chantal minutiös über alles informiert zu sein schien, was ihre Untergebenen gerade trieben – anders hätte sie es wohl auch nicht geschafft, sich mit nur 35 Jahren zur Chefredakteurin hochzuarbeiten.
    Da es keinen Sinn hatte, ihr Zuspätkommen mit irgendeinem dienstlichen Vorwand zu entschuldigen, trat Kati die Flucht nach vorn an: »Tut mir leid. Ich habe einen Todesfall in der Familie.«
    »Ein Todesfall? Nun, das ist bedauerlich.« Chantal wandte sich bereits den Unterlagen auf dem Tisch zu. »Vielleicht könnten wir ja trotzdem mit der Heftkritik weitermachen? In der letzten Ausgabe haben sich extrem viele ärgerliche Fehler eingeschlichen, die ich jetzt einzeln mit euch allen durchgehen möchte …«
    Gelangweilt ließ Kati den Blick durch den Raum schweifen. Den Kollegen, die mit ihr in der Runde saßen, schien es nicht anders zu gehen – Rebekka feilte sich unter dem Tisch heimlich die Nägel, und Herbert, der korpulente Reiseredakteur, nutzte den ausschweifenden Vortrag seiner Chefin, um sich mit Hilfe eines Kugelschreibers endlich mal die Ohren zu säubern. Janine, die Auszubildende, ließ Kaugummiblasen vor ihrem Gesicht zerplatzen, und auch Gertrud, die stets eingeschnappte Schlussredakteurin, wusste ihre Zeit besser zu nutzen, als sich Chantals Kritik zu Herzen zu nehmen: Da sie demnächst einen Malkurs in der Toskana belegen würde, skizzierte sie einen kleinen Olivenhain in ihr mitgebrachtes Notizbuch.
    Nur Ralf schien wie gebannt an Chantals Lippen zu hängen, schrieb eifrig mit und wirkte dadurch wie ein Streber, der sich im Schulunterricht um eine noch bessere Note bemühte. Wenn er dabei mit seinem blonden Haar und den ebenmäßigen, gebräunten Gesichtszügen nicht so verdammt gut ausgesehen hätte, wäre Kati geneigt gewesen, ihn für ein schleimendes Arschloch zu halten. Da sie aber immer noch an ihm hing, hielt sie ihn nur für ein trauriges Arschloch. Und das reichte schon, um ihrer Stimmung einen weiteren Dämpfer zu verpassen.
    »Was mache ich eigentlich hier?«, fragte sie sich im Stillen. Sollte sie die nächsten Jahre wirklich damit zubringen, Chantal bei ihrer Wichtigtuerei und Ralf bei seiner Unterwürfigkeit zuzusehen? Eigentlich war das Leben doch viel zu kurz für ein derart schlechtes Schauspiel. Man musste nur mutig genug sein, aufstehen und die Vorstellung verlassen – doch genau das war Katis Problem: Sie war noch nie besonders mutig gewesen.
    Ob sie diesen Hang zu bequemer Feigheit von Friedrich geerbt hatte? Ihre Mutter war als 19-Jährige in seinem Verlag als Sekretärin angestellt gewesen und hatte sich geschmeichelt gefühlt, als ihr Chef plötzlich Interesse an ihr zeigte. Dass er deutlich älter, vermögend und außerdem verheiratet war, hatte anfangs einen zusätzlichen Reiz dargestellt: Heimliche Ausflüge in fremde Städte, Hotelübernachtungen unter falschem Namen und verstohlene Treffen nach Einbruch der Dunkelheit verliehen der Affäre den nötigen Schuss Abenteuer und täuschten darüber hinweg, wie wenig sich die junge Frau aus einfachen Verhältnissen und

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