Abgeferkelt: Roman (German Edition)
abgesehen davon, dass ich keine Ahnung davon habe, wie man einen Verlag leitet: Was soll ich den Leuten denn sagen, wenn ich mich doch zum Verkauf entschließe? Dass ich nur mal ausprobieren wollte, wie man sich als Verlegerin so fühlt?«
Micha überlegte. »Musst du überhaupt irgendwas sagen?«
»Wie meinst du das?«
»Du willst keine falschen Hoffnungen wecken, richtig?«
»Richtig.«
»Gleichzeitig willst du dir in aller Ruhe ein möglichst umfassendes Bild vor Ort machen, um dann die beste Entscheidung treffen zu können.«
»Stimmt, aber wie …?«
»Das schreit nach der Robert-Redford-Nummer, wenn du mich fragst.«
Kati warf ihrem Bruder einen fragenden Blick zu. »Könntest du dich etwas klarer ausdrücken?«
»Du kennst doch diesen Film, in dem Redford einen Gefängnisdirektor spielt, der sich als Gefangener in seinen eigenen Knast einschleusen lässt.« Michas Augen leuchteten. »So bekommt er alles hautnah mit: den Mief in den Zellen, das verdorbene Essen in der Gefängniskantine, die Brutalität der Wärter. Genial.«
»Und was hat das mit meiner Erbschaft zu tun?«
»Du könntest dich als Redakteurin bei deinem eigenen Verlag anstellen lassen. Undercover, meine ich.«
Seine Schwester sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Warum um alles in der Welt sollte ich das tun?«
»Um die Lage auszubaldowern. Nervigen Fragen aus dem Weg zu gehen. Und um einzuschätzen, was es für deine Mitarbeiter bedeuten würde, wenn du den ganzen Laden wirklich an diese Tredbeck-Gruppe verkaufst.« Micha zuckte mit den Achseln. »Falsche Hoffnungen weckst du mit der Strategie jedenfalls nicht.«
Allmählich ging Kati ein Licht auf. »Ich würde Zeit gewinnen«, überlegte sie laut.
»Außerdem hält dich im Moment sowieso nichts hier, wenn du ehrlich bist. Ich meine – das mit Ralf und dir ist doch gelaufen, oder?«
Nervös nagte Kati am Gelenk ihres linken Daumens. Frankfurt gegen die Lüneburger Heide eintauschen? Schon vor dem Gedanken graute ihr. »Eigentlich will ich nicht von hier weg. Wäre es nicht einfacher, den Verlag zu verkaufen, mich über das Geld zu freuen und meiner Wege zu gehen?«
»Klar wäre das einfacher«, stimmte Micha ihr zu. »Aber wahrscheinlich würdest du dich dann dein Leben lang fragen, ob Friedrich recht gehabt hat.«
»Recht womit?«
»Damit, dass du es sowieso nicht gepackt hättest, diesen Verlag zu halten. Das ist es doch, was dich umtreibt, oder?«
Kati ließ die Schultern hängen. »Ich weiß, es ist erbärmlich, dass ich nach all den Jahren noch immer nicht darüber hinweg bin. Aber alles in mir sträubt sich, als die Versagerin dazustehen, die Friedrich immer in mir gesehen hat.«
»Dann solltest du nach Grümmstein gehen und rausfinden, was du kannst.«
»Allein?«
»Was sonst? Wobei ich dir natürlich beim Umzug helfen würde.«
»Und wie stelle ich es an, mich undercover in den Verlag zu schmuggeln?«
»Wozu hast du diesen Anwalt?«, fragte Micha zurück. »Der wird schon eine Möglichkeit finden, dir diskret einen Posten als Redakteurin zuzuschanzen.«
»Die Frage ist nur, ob er davon so begeistert sein wird«, erwiderte Kati und kramte Buddingtons Visitenkarte hervor.
»Da er auf deiner Gehaltsliste steht, kann es dir streng genommen ziemlich egal sein, was er denkt.« Micha reichte ihr das Telefon. »Am besten, du rufst ihn gleich an, bevor dich der Mut verlässt.«
Kati zögerte. Sollte sie wirklich? Dann fiel ihr ein, wie weh es tat, Chantal und Ralf jeden Morgen zusammen zur Arbeit kommen zu sehen. Und wie wenig Lust sie darauf hatte, die Launen ihrer Chefin auch nur einen Tag länger zu ertragen. Vielleicht wäre so eine kleine Auszeit gar nicht schlecht, um endlich ein bisschen Abstand zu gewinnen. Aber musste es ausgerechnet die Lüneburger Heide sein?
»Muss es ausgerechnet die Lüneburger Heide sein?«, wiederholte sie laut.
»Wieso denn nicht? Ist doch ein putziger Landstrich.«
»Schon mal da gewesen?«
»Nö«, antwortete Micha. »Aber ich hab diesen Film gesehen, wo drei Musikanten singend durch die Heideblüten stapfen und das offensichtlich ganz toll finden.«
»Du hängst eindeutig zu viel vor der Glotze rum.«
Ihr Bruder ließ sich nicht beirren. » Grün ist die Heide, das war der Titel!«, rief er aus. »Ein echter Straßenfeger in den Fünfzigern. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war die Gegend nämlich total hip.«
»Was man heute nicht mehr behaupten kann.«
»Komm schon, jetzt werd nicht ungerecht.«
»Wieso
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